"FLÖßWIESENWIRTSCHAFT" IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT

Landwirtschaft & Fischerei

Schafhude auf den Flößwiesen, Ostern 1939 (Kreis- und StadtA Pb, Foto A. Gellhaus, S-M4D, Nr. 6682)

Ab 1873 wurden dann die jahrhundertealten Feuchtflächen der Pader erstmals im großen Stil zu Flöß- und Rieselwiesen  umgebaut. Auf dem neu gewonnenen Land sollten Pächter wie Eigentümer verstärkt Futtergras und Heuernten sowie neue Weideflächen  gewinnen.

Erste Anfänge einer Flößwiesenwirtschaft lassen sich an der Pader bereits in der Frühen Neuzeit finden. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts errichtete das Kloster Abdinghof in der westlichen Feldmark Paderborns am Riemeke-Bach ein neues Stauwerk, um „seine Wiesen besser flößen zu können.“[1] Bis um 1870 war die künstliche Bewässerung einer Paderwiese hingegen Privatsache gewesen. [2] Im zeitigen Frühjahr und im Sommer durchstachen einige Anrainer, oft zum Verdruss der Mühlenbetreiber,[3] mit Spaten die höherliegende „Mühlenpader“, um ihr Gras- oder Heuland zu fluten. Auch konnten sommerliche Uferdurchstiche dem Weidevieh bequem Trinkwasser zuführen. Das alljährliche „Flößen“ (Bewässern) diente allererst der natürlichen Bodendüngung, indem man den Gräsern und Kräutern die im Stauwasser gelösten Nährstoffe zuführte.[4] An der benachbarten Alme wurden diese kapital- und arbeitsintensive Meliorationen zwischen 1824 und 1857 zunächst von größeren adeligen Gutsbetrieben ins Werk gesetzt.[5] Seit Mitte der 1850er Jahre folgten dann bäuerliche Wiesengenossenschaften. Deren Mitglieder investierten wie 1856/57 die Genossenschaft in Wünnenberg an Alme, Afte und Aa ihr gemeinsames Geld in die Erhöhung der Futtermittelerträge.

An der Pader bauten zunächst die Großgrundbesitzer ihre bisher nur abseitig genutzten Feuchtflächen zu ertragreichem Grünland um. Neben dem Neuhauser Ökonomen Friedrich Schaefer war vor allem der Gutsbesitzer und Bauunternehmer Heinrich v. Köppen (*1824 +1894) auf Haus Ringelsbruch bei Wewer am Umbau der Paderauen („Köppen-Wiesen“) beteiligt. Nachdem Ende Oktober 1870 der juristische Widerstand der Neuhäuser Mühlenbesitzer Friedrich Müller (Weizenmühle) und Ludwig Gockel (Walkmühle) durch Urteilsspruch der „Königlichen Generalkommission in Münster“ abgewiesen worden ist – sie fürchteten Wasserverluste für ihre Mühlen –, konnten die Planierungs- und Grabungsarbeiten beginnen.[6] Nach älteren Plänen des Wiesenbautechnikers Bastian aus Warburg (1866) und dem „Project A“ (1872) wurden zahlreiche Schleusen, Stauwehre und Gräben bis Ende der 1870er Jahre fertiggestellt. Rittergutsbesitzer v. Köppen setzte die Baumaßnahmen um. [7] Auch verpflichtete er sich für die einmalige Zahlung von 1.200 Talern dazu, vom Fiskus die Last der jährlichen Paderräumung im Abschnitt zwischen Stadtmauer und Höpperbrücke zu übernehmen (§ 2). Nach Abschluss der Baumaßnahmen sollte v. Köppen aus Berlin zusätzlich 3.100 Taler als „Entschädigung“ für seine Beteiligung erhalten (§ 1).

Ende der 1880er Jahre wurde das Flößwasser zunehmend mit organischem Abfall belastet. Mit der Fertigstellung des Paderborner Schlachthauses (1886) übernahm der ebenfalls neu angelegte „Schlachthauskanal“ die Entsorgung löslicher Schlachtabfälle, die in der Stadt massenhaft anfielen.[8] Als künstliche Ableitung von der „Maspernpader“ angelegt, diente dieser neue Seitenarm zugleich als Hauptbewässerungsstrang für die städtischen Rieselwiesen. Betroffen hiervon war auch die Kuranstalt „Inselbad“ am Fürstenweg, wogegen sich der Anstaltsleiter Dr. Brügelmann schließlich juristisch zur Wehr setzte. Auf einem „Complex von mehreren 100 Morgen Wiesen“[9] düngten die zwar übelriechenden, aber nährstoffhaltigen Abwässer fortan ausgedehnte Grünflächen in den Paderauen. Erst mit der Ausbringung von mineralischen Kunstdüngern gab man die kosten- und arbeitsintensive Flößwiesenwirtschaft allmählich auf. In den 1960er Jahren verschwanden die letzten Flöß- und Rieselwiesen langsam aus dem Landschaftsbild der Pader.[10]

 

[1] Zit. n. Balzer, Untersuchungen, S. 97, Anm. 214.

[2] Vgl. Feige, Wolfgang: Wiesenbewässerung an der Alme und in ihren Nebentälern, in: Heimatpflege in Westfalen 17/6 (2004), S. 1-6, hier S. 1.

[3] Beispielgebend ist das Gesuch des Walkmühlenpächters Louis Gockel vom 30. Jan. 1860. Als eine Ursache für den konstatierten Wassermangel an seiner Mühle macht er das „wilde“ Flößen einiger Anrainer verantwortlich. Gockel beklagt, dass „in den Ufern willkürliche Einschnitte gemacht [würden], wodurch der Pader zum Nachtheile der Mühlen eine außerordentlich große Wassermenge in ganz überflüssiger und unnützer Weise für das Wachsthum der Gräser, entzogen“ worden sei. Die Regierung solle deshalb den Grundeigentümern das Flößen in diesem Abschnitt „gänzlich“ verbieten. LA Detmold, Regierung Minden I U, Nr. 659, unfol.

[4] Zur Bewässerungstechnik des an der Pader angewandten „Grabenstausystems“ und „Rückenbewässerung“ vgl. Moritz, G.: Flößwiesen – Aufstieg und Niedergang, in: Naturschutz und Landschaftspflege in Paderborn Hft. 4 (1999), S. 2-16, hier S. 3f.

[5] Zum Beispiel Gut Erpernburg: Familie von und zu Brenken, Gut Ringelsbruch: Graf v. Westphalen, Lichtenau: v. Oeynhausen.

[6] Vgl. Abschrift vom Urteil mit Begründung der Generalkommission vom 28. Okt. 1870, StadtA Pb, A 3323, fol. 164r-169v; hier fol. 164r.

[7] Vgl. Abschrift „Regulierungs-Vertrag zw. Rittergutsbesitzer v. Köppen u. Königliche Regierung in Minden“ vom 27. Okt. 1873, LA Detmold, M1 III E, Nr. 151, unfol. Gutsbesitzer v. Köppen war u. a. ab 1850 durch den Eisenbahnbau der Strecke Hamm-Kassel zu Vermögen gekommen. Freundlicher Hinweis von Herrn Michael Pavlicic.

[8] Karl Hüser beziffert die monatliche Schlachtungsrate für 1887/88 auf durchschnittlich 862 Tiere. Ders: Von der Reichsgründung bis zum Ersten Weltkrieg (1871-1914), in: Ders./ Göttmann, Frank/ Jarnut, Jörg (Hgg.): Paderborn – Geschichte der Stadt in ihrer Region, Bd. 3: Das 19. und 20. Jahrhundert, Paderborn 1999, S. 101-161, hier S. 112ff.

[9] Zit. n. Hüser, Von der Reichsgründung, S. 112.

[10] Vgl. allgemein Moritz, Flößwiesen, S. 4.

Mehr erfahren über die Landwirtschaft & Fischerei an der Pader

Aufsatz downloaden

Dies ist ein Auszug aus einem Aufsatz des Historikers Prof. Dr. Michael Ströhmer. Der Originaltitel des Aufsatzes lautet: "Wirtschaftsregion Pader - Eine geschichtswissenschaftliche Skizze (1350-1950)". Sollten Sie weiteres Interesse an der Wirtschaftsgeschichte der Pader haben, empfehlen wir Ihnen den vollständigen Aufsatz (PDF-Datei) herunterzuladen.

Zum Kontaktformular

Haben Sie ein noch nicht erwähntes Thema in Bezug zur Pader entdeckt? Wir würden uns freuen, wenn Sie mithelfen "Licht ins Dunkel" zu bringen. Schicken Sie uns deshalb gerne Ihre eigenen Artikel rund um die Pader zu!