Die erste mittelalterliche "Kornmühle"

Gewerbe & Handwerk

„Situations-Plan von den dem F. Müller gehörigen an der Pader in Neuhaus belegenen Mühlen“, 1855 (LA Münster, Fotokopie Privatarchiv G. G. SANTEL, Paderborn, Bearbeitung M. Ströhmer)

Der Standort der ersten mittelalterlichen Kornmühle in Neuhaus ist unbekannt. Nach Ausweis früher Amtsrechnungen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts gehörte die „molen to dem Nyenhuiss“ samt dem „Molner“ zu einem Vorwerk der Schlossburg.[1] Geht man davon aus, dass es sich bei diesem Bau um eine Wassermühle gehandelt hat, so müsste die Vorwerksmühle an einem natürlichen oder künstlichen Wasserlauf gelegen haben.[2] Auf den Unterhalt oder den Ausbau eines hierfür notwendigen Mühlengrabens verweist ein jüngerer Rechnungseintrag aus dem Jahr 1603/04: Genannt werden Arbeiten an einer „Mollengrafft“, einem „Mollengraben“ sowie einem hölzernen „Floettwerck“ (Stauwehr).[3] Bereits einige Jahre zuvor wird für Neuhaus selbst eine „Mollersche alhir“ erwähnt, die der Schlossküche für jeweils 4 und 5 Reichstaler „ein fett Schwein“ verkauft habe (1596/97).[4] Ob die Frau des Müllers unmittelbar nördlich der Paderborner Torbrücke wohnte, wo die „Mahlmühle“ des 17. Jahrhunderts stand, ist zu vermuten. Der Ausbau der fürstlichen Eigenwirtschaft, zu der auch die Versorgung des Hofes mit Roggenmehl und Schrot gehörte, dürfte Hand in Hand mit dem Schlossausbau der 1590er Jahre gegangen sein.[5] Unter Fürstbischof Dietrich v. Fürstenberg verpachtete man die landesherrliche Kornmühle zunächst auch nicht an Privatleute, sondern ließ sie bis ins 17. Jahrhundert hinein von lohnabhängigen Müllern bewirtschaften. Im Jahr 1606/07 wird namentlich ein „Hilbrandt d[er] Moller“ genannt, der wohl im Auftrag des Hofes zusammen mit seinen Knechten „Rennen“ (Holzrohre) für eine hölzerne Wasserleitung anfertigte.[6]

Auch nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die bischöfliche Kornmühle offenbar im Eigenbetrieb weitergeführt. Zu Ostern 1664 erhielt der Müller Boris Birckmeyer „für sich vndt seinen Jungen neben der Kost“ für ein Jahr Arbeit 24 Reichstaler an „Müller Lohn“ ausbezahlt.[7] Analog hierzu fehlen für diesen Zeitraum in den Ämterrechnungen Einträge zu Pachteinkünften aus der Neuhäuser Kornmühle. Erste Verpachtungen an externe Müller zeigten sich im frühen 18. Jahrhundert. Meister Johann Henrich Volmari bat im März 1711 bei der Hofkammer um die Verlängerung seines alten Vier-Jahres-Vertrags (1707).[8] Hierin verpflichtete er sich, der Neuhäuser Kornschreiberei einen jährlichen Pachtzins von 72 Maltern Roggen anzuliefern. Alles Korn und Malz, das in der Hofhaltung verbraucht würde, solle er „multerfrey“, also unentgeltlich, mahlen und schroten lassen. Ebenso wird der Müllerfamilie das jährliche Mästen zweier Schweine auferlegt. Offenbar war die Kornmühle zu Beginn des Pachtverhältnisses (1707) stark beschädigt. Bis 1711 wurde die Bausubstanz gründlich renoviert, wovon indirekt noch eine mit der Jahreszahl „1710“ datierte Wetterfahne zeugt.[9] Volmaris jüngerer Pachtvertrag vermerkt daher ausdrücklich, dass „die Mühle gantz new auß dem fundament wieder erbauwet“ worden sei.[10] Nach dem Siebenjährigen Krieg soll ein Wasserrad der bis dato zweigängigen Kornmühle erneuert worden sein, die 1764 gegenüber dem Münzhaus des Fürstbischofs Wilhelm Anton von der Asseburg lag.[11] Als Pächter der später sogenannten „Roggenmühle“ wird 1798 der lippische Amtmann Rötteken genannt, der nach Aufgabe des alten Münzgebäudes (1783) dieses zu einer Wohnung für den Kornmüller umbauen wollte.

Mit der Säkularisation von 1802/03 ging auch die fürstbischöfliche Kornmühle in preußischen Staatsbesitz über. Fortan wurde die „Königliche Mahlmühle“ in Erbpacht an interessierte Müller ausgegeben. Im Jahr 1815 verfügte sie bereits über drei Mahlgänge, deren Räder sich allesamt am Westufer der unteren „Mühlenpader“ drehten.[12] Ihr Besitzer war nach dem Urkatastereintrag von 1832 der Müllermeister Heinrich Bodenstab.[13] Zum besteuerbaren Grundbesitz gehörte neben der Mühle ein Wohnhaus der Klasse 2, für das jährlich 2 Reichstaler an den Fiskus abzuführen waren. Im selben Jahr, im Juli 1832, erhielt Meister Bodenstab die königliche Genehmigung zur Anlage eines vierten Mahlganges.[14] Das Rad dieses neuen „Graupengangs“ lag gegenüber den drei Wasserrädern am östlichen Paderufer, wobei das Mahlwerk im „alten Müntz=Gebäude“ installiert wurde.

„Situations-Plan von den dem F. Müller gehörigen an der Pader in Neuhaus belegenen Mühlen“, 1855 (LA Münster, Fotokopie Privatarchiv G. G. SANTEL, Paderborn, Bearbeitung M. Ströhmer)
„Situations-Plan von den dem F. Müller gehörigen an der Pader in Neuhaus belegenen Mühlen“, 1855 (LA Münster, Fotokopie Privatarchiv G. G. SANTEL, Paderborn, Bearbeitung M. Ströhmer)

[1] Amtsrechnung 1445-47, zit. n. Rade, Bewohner, S. 22; 27. Vgl. auch Kandler/ Krieger/ Moser, Schloß Neuhaus, S. 52.

[2] Manfred Balzer geht davon aus, dass die Ackerflächen des ehemaligen Hofes Enenhus, die sich entlang der Pader erstreckten, vom 14.-17. Jahrhundert vom „fürstlichen Vorwerk in Neuhaus aus“ bewirtschaftet worden sind. Demnach hätten die Gebäude der Schlossökonomie einst westlich der Burg gelegen. Ders., Stadtlandwehr und Stadtgebiet, S. 216, Anm. 151.

[3] Ämterrechnung Neuhaus (1603/04): „Henrich der Zimmerman, Gerden Herman vnd Malten Rottger [haben] 6 tage“ am „Stacket [Zaun] für dem garten“ gearbeitet […] einer 2 tage an dero Mollengrafft gearbeitet.“ LA Münster, Fürstbistum Pb, Ämterrechnungen Neuhaus Nr. 1046, fol. 106r-111r.

[4] Vgl. Ämterrechnung Neuhaus (1596/97), LA Münster, Fürstbistum Pb, Ämterrechnungen Neuhaus Nr. 1046, fol. 46r; 83r.

[5] Heinrich Schäfers geht von einer Neuerrichtung(?) der Neuhäuser Kornmühle im Jahr 1590 aus. Ders., Standorte, S. 84.

[6] Vgl. Ämterrechnung Neuhaus (1606/07), LA Münster, Fürstbistum Pb, Ämterrechnungen Neuhaus Nr. 1050, fol. 137r. Hinzu kommen je zwei Paar Schuhe im Wert von 3 Talern, 15 Schillingen und 8 Pfennigen.

[7] Ämterrechnung Neuhaus (1663/64), LA Münster, Fürstbistum Pb, Ämterrechnungen Neuhaus Nr. 1072, fol. 130v.

[8] Vgl. „Newhausischer Mühlen Contract“, 21. Mär. 1711. LA Münster, Fürstbistum Pb, Hofkammer Nr. 765, fol. 14r-16v.

[9] „Auf dem First des Giebeldaches [der Kornmühle] befand sich eine Wetterfahne mit einem Wappen und der Jahreszahl 1710.“ Middeke, Bild der Heimat, S. 5.

[10] Art. 6, Mühlenkontrakt 21. Mär. 1711. LA Münster, Fürstbistum Pb, Hofkammer Nr. 765, fol. 15r-15v.

[11] Freundlicher Hinweis von Herrn Gregor G. Santel, November 2019. Vgl. auch Schwede, Arnold: Das Münzwesen im Hochstift Paderborn 1566-1803, Paderborn 2004, S. 37f.

[12] Vgl. Abschrift des Urteils der „Königlichen Generalkommission zu Münster“, 28. Okt. 1870: Demnach hält der Pachtvertrag vom 30. Okt. 1815 diese Anzahl fest. StadtA Pb, A 3323, fol. 167v.

[13] Vgl. Mutterrolle (1832), LA Detmold, M 5 C, Nr. 1469, Nr. 15 (Flur V, Parz. 13), unfol.

[14] Vgl. „Abschrift der Konzessionierung für Müller Heinrich Bodenstab“, 18. Jul. 1832. LA Detmold, M 1 I U, Nr. 660, unfol. Die alte Münze wird im Gutachten des Wegebaumeisters Vogeler vom 22. Jul. 1831 als „Scheune auf dem rechten Ufer des Flusses“ bezeichnet.

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Dies ist ein Auszug aus einem Aufsatz des Historikers Prof. Dr. Michael Ströhmer. Der Originaltitel des Aufsatzes lautet: "Wirtschaftsregion Pader - Eine geschichtswissenschaftliche Skizze (1350-1950)". Sollten Sie weiteres Interesse an der Wirtschaftsgeschichte der Pader haben, empfehlen wir Ihnen den vollständigen Aufsatz (PDF-Datei) herunterzuladen.

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