Handwerk und Kleingewerbe an der Pader

Gewerbe & Handwerk

Gemeinde Neuhaus, innerörtlicher Paderverlauf mit Ringgraben, Mühlen und Färbereien, 1850er Jahre (Grundlage: Urkatasterkarte v. 1830, Flur V, Kreis Paderborn, Amt für Geoinformation, Kataster und Vermessung, Bearbeitung M. Ströhmer 2019)

Mit der kontinuierlichen Nutzung der Neuhäuser Burganlage entwickelte sich unter Bischof Simon III. (amt. 1463-98) auch deren Umfeld, in dem sich bürgerliches Gewerbe ansiedelte, allmählich zum fürstlichen Residenzstadt.[1] Zu diesen grundständigen Handwerkern, welche die Eigenversorgung des Hofes aus dem Ort heraus ergänzten, zählten vermutlich schon seit dem 15. Jahrhundert Bäcker, Schneider, Metzger, Brauer, Schuster und Schmiede. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts dürfte sich an dieser gewerblichen Grundstruktur– vielleicht mit Ausnahme des in den 1660er Jahren ausgebauten Textilgewerbes – in Neuhaus wenig geändert haben. Lebten im Jahr 1769 in 119 Neuhäuser Haushalten ca. 750 Personen beiderlei Geschlechts, so waren es knapp 30 Jahre später (1797) 1042 Ortseinwohner.[2] Dies entsprach einem beachtlichen Wachstum von gut 25 Prozent innerhalb einer Generation. Indirekt spiegelt sich dieser Bevölkerungsanstieg auch in der vergleichsweise hohen Anzahl von neun ortsansässigen Bäckereien und vier Bierbrauereien wider, deren Produkte um 1800 den Lebensmittelbedarf des Schlosspersonals mitabdeckten. Für die Bierproduktion wurde zwischen Pader und Alme bereits im 16. Jahrhundert Hopfen angebaut. Aber auch das Paderwasser selbst dürfte, wie im benachbarten Paderborn,[3] für Neuhäuser Bier und Brot direkt aus dem Fluss geschöpft worden sein. Betrachtet man die innerörtliche Verteilung der Neuhäuser Handwerksbetriebe auf der Urkatasterkarte (1829/30), so fällt die Funktionsvielfalt der Pader als Produktionsfaktor ins Auge: An den Ufern der „Wasserkunst-“ und „Mühlenpader“ lagen nicht allein Mahl- und Hebewerke, welche die Kräfte des Flusses auf ihre Räder lenkten, sondern auch Färbereien, Bäckereien, Metzgereien und Lohgerbereien in dichter Folge. Ihre Meister nutzten das Paderwasser vor allem zum Aufbereiten und Auswaschen von Halb- und Fertigprodukten – oder schlicht zur Entsorgung ihrer Produktionsrückstände. Zwischen 1832 und 1868 konzentrierten sich in Neuhaus allein entlang der unteren „Mühlenpader“ zahlreiche Handwerkerhaushalte:

Gemeinde Neuhaus, innerörtlicher Paderverlauf mit Ringgraben, Mühlen und Färbereien, 1850er Jahre (Grundlage: Urkatasterkarte v. 1830, Flur V, Kreis Paderborn, Amt für Geoinformation, Kataster und Vermessung, Bearbeitung M. Ströhmer 2019)
Gemeinde Neuhaus, innerörtlicher Paderverlauf mit Ringgraben, Mühlen und Färbereien, 1850er Jahre (Grundlage: Urkatasterkarte v. 1830, Flur V, Kreis Paderborn, Amt für Geoinformation, Kataster und Vermessung, Bearbeitung M. Ströhmer 2019)

Neben der viergängigen Roggen- und Graupenmühle am „Paderborner Tor“ arbeiteten in deren Nachbarschaft ein Bäcker (Haus Zurlage), ein Metzger (Haus Thombansen), ein Blaufärber (Haus Münder) sowie weiter flussabwärts die Lohgerberei von Joseph Menneke.[4] Um 1870 dürfte hier, kurz vor der Einmündung der Pader in die Lippe, die Schadstoffkonzentration im Wasser am höchsten gewesen sein.

Nicht nur innerhalb der beiden Siedlungskerne, sondern am gesamten Flussverlauf von Pader, Rothe und Riembeke, integrierte das Kleingewerbe die Fließgewässer in seine Produktionsabläufe. Zur Gewinnung von Flachsfasern (Leinen) legte man die Stengelpflanzen zum Wässern und Spülen in den kalten Fluss – aus Sicht der Obrigkeit ein Ärgernis, das im „Polizei=Reglement für die große und kleine Pader“ (1866) verboten wurde.[5] An den Ufern stehende Weiden beschnitt man bis in die 1930er Jahre hinein regelmäßig, um die gewonnenen Zweige als „Kribbwerk“ an professionelle Korbflechter zu verkaufen.[6] Auch dem regionalen Fischhandel diente die Pader. Vor dem Versand seiner Ware band ein Paderborner Händler einige Bündel aus „gebucktem“ Stockfisch zusammen, um diese an einem Strick, der am Geländer einer Paderbrücke befestigt war, in der starken Strömung zu wässern.[7]

[1] Vgl. Schoppmeyer, Heinrich: Aspekte zur älteren Geschichte von Neuhaus (Studien und Quellen zur Geschichte von Stadt und Schloss Neuhaus, Bd. 2), Schloß Neuhaus 2009, S. 7-23, hier S. 7f.

[2] Vgl. Ortschronik von 1797, EAB Pb, AV Acta 88, fol. 56r-59r.

[3] Zur Verwendung des „kalkhaltigen Paderwassers“ zum Bierbrauen im frühen 17. Jahrhundert vgl. Detten, Wirtschaftsleben, S. 56.

[4] Im Einzelnen: Urkataster der Gemeinde Neuhaus (1832): „Bäckerei“, Nr. 256: Haus, Bartholomeus Zurlage (Flur V, Parz. 85 u. 89); „Kornmühle“, Nr. 15 , Heinrich Bodenstab (Flur V, Parz. 13); „Färberei“, Nr. 160: Heinrich Münder (Flur V, Parz. 14 u. 15), LA Detmold, M 5 C, Nr. 1469/70. Mutterrolle (1867): „Metzgerei“, Nr. 698: Konrad Thombansen (Flur V, Parz. 90); „Kornmühle“, Nr. 504: Friedrich Müller (Flur V, Parz. 15); „Lohgerberei“, Nr. 477: Joseph u. Fritz Menneke (Flur V, Parz. 26-28), LA Detmold, M 5 C, Nr. 5371/72. Im Jahr 1877 wird bei Reinigungsarbeiten in der Pader am Haus des „Lohgerbers Joseph Menneken“ ein Goldschatz gefunden. Vgl. Wurm, Neuhaus, S. 84.

[5] Vgl. § 13, LA Detmold, M1 III E, Nr. 151, S. 74.

[6] Als Käufer sind u. a. für Februar 1933 die beiden Korbmacher Hermann Josephs und Heinrich Brockhoff aus Etteln genannt. Heinrich Brockhoff kaufte der Stadt die Ruten für 2 Reichsmark ab. StadtA Pb, A 4152, unfol. Aus einem städtischen Schreiben vom 26. Okt. 1935 geht auch die Motivation für den Verkauf von Weidenruten hervor: „Durch den Verkauf wird Arbeitslohn für städt. Arbeiter eingespart.“ Ebd.

[7] Vgl. Brüggemann, Conrad: Der Quellenreichtum und die Wassernot Paderborns, in: Die Warte 9/ Hft. 6 (1941), S. 47-48.

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Dies ist ein Auszug aus einem Aufsatz des Historikers Prof. Dr. Michael Ströhmer. Der Originaltitel des Aufsatzes lautet: "Wirtschaftsregion Pader - Eine geschichtswissenschaftliche Skizze (1350-1950)". Sollten Sie weiteres Interesse an der Wirtschaftsgeschichte der Pader haben, empfehlen wir Ihnen den vollständigen Aufsatz (PDF-Datei) herunterzuladen.

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