Die Paderborner Wasserkünste als technische Denkmale des europäischen Kulturerbes

Lokales Zentrum und Regionale Zone

Hintergrundbild: Kreismodell mit hervorgehobenen regionalem Zentrum (Konzeption M. Ströhmer, Kartengrundlage: MapChart, CC-BY-SA 4.0)

Bevor der weiträumige europäische Erbgang betrachtet werden soll, bedarf es zuvor eines Blickes auf den lokalen und regionalen Untersuchungsraum. Zur Veranschaulichung der räumlichen Dimensionen eignet sich daher ein Kreismodell, das die Wissensgeschichte zur „Jesuitenwasserkunst“ in ihren technischen und personellen Bezügen in zwei konzentrische Ringe aufteilt. Ausgehend vom lokalen Zentrum, der Stadt mit ihrem Quellgebiet, schließt sich eine regionale Zone an. Deren Radius von gut 100 Kilometern Luftlinie erfasst nicht nur die Standorte anderer, mit Paderborn vergleichbarer Anlagen, die den Baumeistern als Vorbild gedient haben könnten. Ebenso markiert die regionale Zone das personelle Einzugsgebiet von Baumeistern und Handwerkern, die von den Paderborner Bauherren mit der Konstruktion von Wasserkünsten beauftragt worden sind. Im äußeren zweiten Ring lassen sich schließlich jene „internationalen“ Spezialisten und Wissensvermittler verorten, die den Baumeistern als Inspiratoren gedient haben könnten. Hierzu zählten antike Autoritäten wie der römische Architekturtheoretiker Vitruv oder Heron von Alexandria, die bereits im ersten vor- und nachchristlichen Jahrhundert wegweisend Maschinen- und Wasserbaugeschichte geschrieben haben. Somit reicht der Radius des immateriellen Technologietransfers, der im 17. Jahrhundert für die Konstruktion der Jesuitenwasserkunst zu überwinden war, von der Mittelmeerküste Nordafrikas und dem Nahen Osten bis in das Quellgebiet der Pader.

 

Kreismodell mit hervorgehobenen regionalem Zentrum (Konzeption M. Ströhmer, Kartengrundlage: MapChart, CC-BY-SA 4.0)
Kreismodell mit hervorgehobenen regionalem Zentrum (Konzeption M. Ströhmer, Kartengrundlage: MapChart, CC-BY-SA 4.0)

Wie alle Bauherren der Paderborner Künste, hatte auch das Jesuitenkolleg mit dem Mangel an (relativ) sauberem Trinkwasser in der Oberstadt zu kämpfen. Zwar verfügte die Stadt seit ihrer Gründung mit gut 200 Quellen in der Unterstadt über ausreichende Wasservorkommen, um auch eine stark anwachsende Bevölkerung problemlos versorgen zu können.[1] Auch sorgten seit dem Mittelalter zahlreiche Grundwasserbrunnen für die Aufrechterhaltung einer Grundversorgung. Doch waren der tägliche Abstieg von Wasserträgern und die Fahrten der Fuhrleute zu den Quellteichen oft zeitaufwendig, beschwerlich und in strengen Wintern auf vereisten Gassen gefährlich.[2] Die Vorstände von Großhaushalten wie dem 1605 bezogenen Jesuitenkolleg,[3] in dem Mensch und Vieh aus nur drei „Soeden“ (= Brunnen) mit Trink- und Nutzwasser versorgt werden mussten, drängten daher die Stadt auf einen verkürzten Zugang zum Paderwasser.[4]

Die Baugeschichte der Jesuitenkunst war wechselvoll, teuer, problembehaftet und langwierig. Nicht umsonst bezeichneten die Jesuiten sie zunächst als „infelix aquaeductus“, als unglückliche Wasserleitung, die von einem Meister aus Fritzlar „verhudelt“ worden sei.[5] Ihr Aufbau zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges erstreckte sich, mit zeitweiligen Unterbrechungen, auf rund vier (1623–1626), womöglich sogar sechs Jahre (1623–1628). An ihrer Vollendung arbeiteten insgesamt drei Baumeister aus der Region, deren Arbeitsverträge zum Teil überliefert sind. Eine wesentliche Ursache für den holprigen Start in den ersten beiden Jahren (1623/24) lag wohl in der Wahl eines unerfahrenen Baumeisters, der nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis ausgewiesen war.[6] Dass diese drei Ingenieure von den Paderborner Jesuiten aus den Städten Fritzlar (Kurfürstentum Mainz), Obermarsberg (Herzogtum Westfalen) und Kassel (Landgrafschaft Hessen-Kassel) rekrutiert werden mussten und demnach nicht im Fürstbistum Paderborn selbst zu gewinnen waren, sei als Hinweis auf den üblichen Modus des europäischen Wissenstransfers im 17. Jahrhundert vorweggeschickt. Denn der Austausch von technischem Know-how blieb in der Vormoderne immer noch einem konkreten Personentransfer verhaftet. Ein Blick auf die Karte verdeutlicht dies. So stammten alle drei „ausländischen“ Spezialisten aus traditionellen Montanrevieren. Hier, am nördlichen Rand deutscher Mittelgebirge, erdachte und konstruierte man schon seit über 200 Jahren anspruchsvolle „Bergwasserkünste“. Wirft man einen Blick auf die jeweilige geographische Lage der ersten Pionieranlagen, die bereits im 14. und 15. Jahrhundert in der Region errichtet worden sind, so wird ersichtlich, dass die Ähnlichkeiten in der lokalen Topographie eine entscheidende Rolle für den Rückgriff auf die komplizierte und teure Pumpentechnik gespielt haben können. Vergleicht man etwa die ältesten Hebewerke von Fritzlar[7] (erbaut um 1390) mit der ersten bekannten Wasserkunst im Hochstift Paderborn, die am Fuße der Warburger Neustadt[8] (Ersterwähnung 1463) installiert worden ist, so fallen deutliche Parallelen auf: Beide Städte lagen auf einer ummauerten Bergkuppe, an deren Flanken ein starkes Fließgewässer entlang floss. Die Besiedlung des Berges verdichtete sich aufgrund des Bevölkerungswachstums allmählich, ohne dass die dortigen Wasserressourcen den zusätzlichen Bedarf für Mensch und Vieh decken konnten. Hydrologische Ungunst, welche die Anlage tiefer Grundwasserbrunnen auf dem trockenen Felstableau erschwerte bzw. unmöglich machte, zwang die wachsenden Kommunen zur Anlage einer öffentlichen Wasserversorgung, die dem Bevölkerungsdruck standhielt. War im Tal ausreichend Antriebswasser vorhanden, das möglichst dicht an die Stadtmauer herangeführt werden konnte, so bot bereits die Technik des Spätmittelalters die Errichtung von wasserradgetriebenen Pumpwerken. Um beispielsweise die natürliche Wasserkraft der Flüsse Eder und Diemel besser nutzen zu können, hatten die Stadtherren von Fritzlar und Warburg von diesen Kanäle („Mühlgraben“) ableiten lassen, um die Wasserzufuhr über Wehre zu den städtischen Mühlen effizienter regulieren zu können. In Fritzlar wurden Wasserrad und Hebewerk als vierter Antriebssatz in eine bereits vorhandene Klostermühle integriert.[9] Die erste Warburger Wasserkunst erhielt hingegen wohl ein eigenes Gebäude am altstädtischen Mühlengraben. Das signifikante Zusammenspiel der drei Umweltkomponenten a) Gebirgslage einer Höhensiedlung, b) deren hydrologische Ungunst und c) ausreichendes Betriebs- und Nutzwasser im Tal waren folglich auch bei den zahlreichen Neuanlagen von Wasserkünsten des 16. und 17. Jahrhunderts zu beobachten, die sich in einem südlichen Halbkreis um Paderborn erstreckten. Mit dieser topographischen Ausgangslage kämpfte, wenn auch im verkleinerten Maßstab, der erste Baumeister der Jesuitenwasserkunst, als er im September 1623 das Paderquellgebiet in Augenschein nahm.

Die topographische Lage der drei Paderborner Wasserkünste im 17. Jahrhundert (Kartengrundlage: U. Hoppe, Domfreiheit 1975)

Der erste Baumeister: Jacob(us) Hein(aeus) aus Fritzlar (1623/24)

Der um 1580 geborene Organist, Orgelbauer und Schulmeister am St. Petri-Stift zu Fritzlar kann als typischer, wenn auch regional begrenzt wirkender „Künstler- Ingenieur“ oder „Polypragmatiker“ der Spätrenaissance angesprochen werden.[10] Er wurde seinen eigenen Worten nach von der Kollegleitung im Herbst 1623 persönlich nach Paderborn eingeladen, um zunächst eine defekte Orgel, womöglich das Instrument in der ehemaligen Minoritenkirche St. Johannis zu reparieren.[11] Doch warum holte sich Rektor Bavingh ausgerechnet einen Instrumentenbauer, Kirchenmusiker und Pädagogen nach Paderborn, um ihn als Ingenieur für Wasserbauten zu beschäftigen? Hierbei ist zunächst an den Herkunftsort des Orgelbauers zu denken. In Fritzlar stand seit dem Ausgang des 14. Jahrhunderts die wohl älteste Stadtwasserkunst in ganz Hessen.[12] Auf dem Vorplatz des St.-Petri-Doms, ehemals ein Friedhof, steht noch heute das sechseckige Bassin, in das die ehemalige Druckleitung mündete. Von diesem schmucklosen Sammelbecken aus wurde u. a. ab 1564 der große Renaissancebrunnen mit Säulenfigur gespeist, wobei die Verbindung zwischen Dom- und Marktplatz über eine unterirdisch verlegte Gefälleleitung hergestellt wurde. Angeschlossen waren zudem das „Hochzeitshaus“ sowie das obere und untere Brauhaus.[13] Des Weiteren ist festzustellen, dass die Beauftragung eines Orgelbauers mit nach heutigem Verständnis fachfremden Aufgaben im 16. und 17. Jahrhundert keine Seltenheit war. Kirchenmusiker wie Michael Hirschfelder (um 1550 bis 1602), der aus dem thüringischen Nordhausen stammte, war wie Jacob Hein zugleich Orgelbauer und Lehrer.[14] Zudem erwarb der vielseitig Begabte sein Brot als Dichter, Arzt, Architekt, Mechaniker und Astronom – eben ein echter Polypraktiker. Ähnlich vielgestaltig betätigten sich die Orgelbauer Heinrich Cumpenius senior (um 1535 – 1611), Esaias Compenius (1566–1617) oder Johannes Heckelauer (1596–1653). Es ist daher zu vermuten, dass der rhetorisch ebenso gewandte wie geschäftstüchtige Orgelbauer[15] – so charakterisiert ihn auch Pater Johannes Sander in den Jesuiten-Annalen[16] – spätestens im Paderborner Kolleg erfahren hat, dass die Wasserversorgung des Hauses zu wünschen ließ. Nach eigener Aussage sei Hein nicht nur wegen der Reparatur der defekten Orgel, sondern von Anfang an für die Erbauung einer neuen Wasserkunst nach Paderborn gekommen.[17] Er skizzierte vermutlich erste Pläne im Kolleggebäude, wo er während seines Aufenthalts bei den Jesuiten kostenlos Logis und einen „freien Tisch“ erhielt. Die Anfertigung der benötigten Bauteile sollte, wie in einem späteren „Vergleich“ (September 1624) zwischen Orden und Baumeister näher geregelt, zusammen mit anderen Fachhandwerkern ins Werk gesetzt werden.[18] Aus dieser ersten Planungsphase stammt womöglich die exotisch anmutende Idee, es zunächst mit einer „Balgenpumpe“ als Wasserdruckwerk zu versuchen.

Die Funktionsweise von Heins Paderborner Balgenpumpe erschließt sich, wenn man die einzelnen Komponenten auf der Zeichnung separat betrachtet: (1.) Antrieb: Über ein wassergetriebenes Mühlrad wird über dessen Welle ein Kammrad mit Nockenwelle angetrieben. Die Nocken des Kammrades sollten das (2.) Gestänge der Balgenpumpe anheben. Die Stangen hoben jeweils zwei der vier Bälge an, die in einen (3.) rechteckigen Wassertrog gelegt werden sollten. Wie im Orgelbau üblich, sollten die Blasebälge auf ihrer Oberseite mit Gewichten beschwert werden, damit ihr Eigengewicht die Luft – hier das Wasser – nach dem Aufziehen durch das Gestänge via Schwerkraft aus dem Balg herausgepresst wird. Die vorderen Öffnungen der Balgenpumpen, in deren hölzernen Unterseiten je ein Saugventil eingebaut werden sollte, sollten das Wasser über eine Verbundleitung schließlich in eine (4.) Leitung aus ineinander gesteckten Holzrohren („Pipen“) drücken.

Heins ambitionierter Plan, das Wasser der Pader mit einer neuartigen Balgenpumpe in Garten und Küche des Kollegs zu fördern, wurde letztlich nicht realisiert. Neben den hohen Materialkosten, die von Hein zuvor kalkuliert worden sind, dürfte vor allem die Skepsis der Kollegleitung gegenüber der experimentellen Pumptechnik gesiegt haben. Ein entsprechender Eintrag in den Paderborner Jesuiten-Annalen unterstreicht die Vorbehalte gegenüber den ersten Lösungsversuchen des Instrumentenbauers. Wohl ein Übersetzungsfehler aus dem Lateinischen führte so zur Legende, der im Wasserbau unerfahrene Meister habe versucht, Paderwasser mittels „lederner Schläuche“[19] quer durch die Stadt zu pumpen: „Tam grande opus ut perficeret, in se suscepit organopaeus Magister Iacobus Hennaeus, qui tantam molem aquarum per folles coriaceos volut ad alta Collegii septa protrudere (postmodum per alia instrumenta), at irrito conatu“.[20] Mit den „folles“ waren sicherlich „lederne Säcke“ oder „Blasebälge“ gemeint, die für den Antrieb des Druckwerks, und nicht für die Wasserleitung an sich gedacht waren. Für Letztere hatte der Orgelbauer die üblichen Eisen- und Holzrohre vorgesehen. Zudem spricht für die Verwendung von Metallrohren Heins eigenhändige Notiz, dass er gleich zu Beginn seiner Anstellung mit dem Rektor übereingekommen sei, die Steigleitung in Eisen auszuführen.[21] Rund 300 Schuh an gusseisernen Röhren, umgerechnet etwa 100 Meter, wurden sodann auch im Winter 1623/24 im kurkölnischen Alme auf der dortigen Eisenhütte gegossen.[22] Nach dem Scheitern des ersten Entwurfs legte Heinaeus dem Kolleg 1624 das altbewährte Konzept einer „Kettenpumpe“ vor.

Entwurf von Komponenten einer zweizylindrigen Kettenpumpe (Skizze von Jacob Hein um 1623/4, bearbeitet von M. Ströhmer)

Diese Maschine funktionierte wie folgt: Das Druckwerk bestand laut Zeichnung aus einem einfachen Paar zylindrischer Kolbenpumpen, deren Bodenplatten mit Ansaugventilen direkt in das Förderwasser gestellt wurden. Das Holzgestänge, das die beiden Kolben mittels Zahnstangen über eine Rolle mit Kettenaufhängung antreiben sollte, wurde ebenfalls über die Welle eines Wasserrades motorisiert. Die beiden „Pumpstiefel“ sollten in Eisen gegossen und die vier Ventile (pro Stiefel ein Ansaug- und ein Auslassventil) vom „Gelbgießer“ in Messing oder Bronze ausgeführt werden. Die Kraftübertragung erfolgt über die Welle des Wasserrades, an der um 180 Grad versetzt zwei gebogene Zahnstangen aus Eisen angebracht sind. Dessen Zähne greifen in zwei gerade Zahnstangen, die an einem hölzernen Gestänge montiert sind. Die oberen Enden dieses Gestänges sind mit einer geschmiedeten Eisenkette verbunden, die wiederum über eine „Hauptrolle“ geführt wird. Die unteren Enden des Gestänges bilden die beiden Hubstangen, welche sich im Zylinder („Stiefel“, „Mörser“) auf und ab bewegen. Zur Aufhängung des Gestänges notiert Hein in seiner Instruktion an den Schlosser, der Kette und Rolle fertigen soll: „5. Die Heubt Rollen muß mitt einer starken büssen [=Büchse] verwahret vnnd oben herumb mit Hacken beschlagen werden, darauff die Kette als auff einem brunnen [=Brunnenwinde?] vmbgehe.“[23] Nach Ausweis seiner Instruktionen und seines Tätigkeitsberichts, welche Jacob Hein nach seiner Abreise aus Paderborn hinterlassen hat, wurde das von ihm konzipierte Druckwerk tatsächlich in Teilen realisiert.[24] Auf einem mutmaßlichen Grundriss von rund 8×6 Metern wurde das Pumpenhaus an der oberen Börnepader ausgeführt. Bis zum September 1624 stand auf der Baustelle der fertiggezimmerte Radstuhl. Das bereits eingesetzte Wasserrad hatte mit 14 Schuh einen Durchmesser von etwa 4,20 Meter bei einer Breite von circa 90 Zentimeter (3 Schuh).[25] Beim Probelauf des Rades verbrannte sich Hein offenbar einen Finger, als er den heiß gelaufenen Eisenzapfen am Ende des Wellbaums berührte.[26] Ebenso sollten Zimmerleute und Tagelöhner einen 1,50 Meter langen, 90 Zentimeter breiten und 1,20 Meter hohen Sandsteintrog unter dem Radstuhl in das Erdreich eingelassen.[27] In ihm sollte sauberes Quellwasser gesammelt werden. Die eisernen Pumpzylinder, die in diesen Frischwasserbehälter gestellt werden sollten, waren bis dato noch nicht gegossen. Deshalb schlug Hein seinem Bauherrn vor, zwischenzeitlich zwei rund 90 Zentimeter hohe „Stiefel“ aus Buchenholz fertigen zu lassen.[28] Diese auf 15 Zentimeter auszubohrenden Holzzylinder seien, wie bei den Wasserkünsten in Erzbergwerken üblich, mit Metallventilen zu bestücken. In der Eisenhütte zu Alme,[29] die neben einem älteren Hammerwerk dem Drosten zu Anröchte, Junker Johann Melchior von Meschede († 1627), gehörte, lägen zudem etliche Eisenrohre für die Montage der Steigleitung zur Abholung bereit.[30] Weitere Spezialanfertigungen, wie das eiserne Zahn- und Pumpgestänge, waren nach Heins Auskunft im Laufe des Jahres 1624 wohl auf dem „Niederen Hammer“ zu Spezialanfertigungen, wie das eiserne Zahn- und Pumpgestänge, waren nach Heins Auskunft im Laufe des Jahres 1624 wohl auf dem „Niederen Hammer“ zu Altenbeken „grob [zu]geschlagen“ worden.[31] Auch diese Bauteile dürften Ende des Jahres an der Börnepader zur Endmontage bereitgelegen haben. Warum der Orgelmeister Paderborn nach Aussage der Jesuiten-Annalen bei Nacht und Nebel verließ, ist nicht eindeutig zu beantworten.[32] Neben den dokumentierten Lieferverzögerungen bei der Materialbeschaffung und technischen Fehlversuchen dürfte Hein vor allem die Zeit im Nacken gesessen haben. Er wurde vermutlich dringend in Fritzlar zurückerwartet, um seine dortigen Dienstverpflichtungen als kurmainzischer Stiftsdiener wieder aufnehmen zu können.[33] Denn während seiner Abwesenheit hatten er und seine Frau Barbara für den versäumten Organisten- und Schuldienst einen Ersatzmann zu bezahlen. So erscheint es denkbar, dass Hein auch aus finanziellen Gründen sein Werk nicht abschließen konnte oder wollte. Im Folgejahr 1625 taucht er jedenfalls erneut in der protestantischen Grafschaft Waldeck auf, wo er am Neubau der Kirchenorgel zu Lindau beteiligt war.[34] Auch am Fuße dieses hessischen Bergstädtchens lag seit 90 Jahren eine alte Wasserkunst (1535) – mussten womöglich auch deren Pumpen „fachgerecht“ überarbeitet werden?

Der zweite Baumeister: Johann von Marsberg, genannt „Hollando“ (1624/25)

Aus dem Vertragsentwurf mit dem Nachfolger Jacob Heins, einem niederländischen Spezialisten, geht hervor, dass Meister Johann ursprünglich aus „Hässeltt [Hasselt?] in Hollandt“ stammte.[35] Er arbeitete in der nordsauerländischen Bergstadt Obermarsberg, die an der Südwestgrenze des Hochstifts Paderborn im benachbarten Herzogtum Westfalen lag. Welchem Beruf oder welcher Funktion „Johann Hollando“ dort nachging, lässt sich bis dato leider nicht rekonstruieren.[36] Womöglich arbeitete er in einer der beiden „Holländer Hütten“ (1612 Eisenverhüttung), die am Fuße des Stadtberges in der Nähe des Glinde-Bachs lagen.[37] Hier, im südöstlichen Taleinschnitt Marsbergs, stand auch das wasserkraftbetriebene Pumpenhaus der Obermarsberger Stadtwasserkunst,[38] das der Handwerksmeister somit gekannt haben dürfte. Zweifelhaft bleibt jedoch, ob der Holländer in der Paderstadt seinen Auftrag tatsächlich erfüllt hat, da uns zu seinem Wirken nur ein undatierter Vertragsentwurf überliefert ist. Aus diesem Kontrakt gehen aber einige interessante Details zum erreichten Stand der Arbeiten hervor. Die von Hein geplante Steigleitung von der „Peckeley“, dem Standort des Pumpenhauses im Paderquellgebiet, und dem oberen „Brawhauß, Kocken [=Küche] [und] Schlachthauß“ des Jesuitenkollegs war Ende 1624 offenbar noch nicht fertiggestellt.[39] Auch sollten anstatt der bisherigen Eisenleitungen neue „rein[e], fest[e] vnd gutt[e]“ Bleirohre verlegt werden, für deren Anfertigung dem Meister von den Jesuiten ein Musterexemplar in einer gewissen Stärke und Länge übergeben wurde. Des Weiteren sollte der Niederländer alle noch fehlenden Materialien wie „Engelsch Zinnen, Kopffer, Iseren, Mösern [=Messing] Krücklen“ besorgen und „das Haus darin die Kunst gelecht, gantz fertig zumachen“. Als Lohn „vor alle seine muhe, arbeit materialien vnd alle angewendte vncost [und] Zehrungh“ einigte man sich auf ein fixes Honorar von 1000 Reichstalern in „gutter silber Müntz“ zuzüglich 100 Talern als Vorschuss. Auf der Rückseite dieses Kontraktes, der vom Meister jedoch nicht unterschrieben worden ist, steht von einer anderen Hand vermerkt, dass die Wasserkunst „bene perfecit“, also gut vollendet worden sei – woran jedoch zu zweifeln ist.[40] Denn in den offiziellen Annalen des Ordens wird ausdrücklich erwähnt, dass kein Meister aus Holland, sondern ein „Handwerksmeister mit mehr Erfahrung das schlecht Begonnene Werk [Jacob Heins] wieder hergerichtet und glücklich vollendet [habe]“,[41] womit nur der dritte Baumeister, Gottfried Köhler aus Kassel, gemeint sein kann. Eine mögliche Erklärung für die offene Frage, warum Meister Johann aus Stadtberge (=Obermarsberg) das Werk des Orgelbauers aus Fritzlar nicht vollendet hat, findet sich womöglich im Ausbruch einer Epidemie, die im Frühjahr 1625 Paderborn erfasste. Unmittelbar betroffen hiervon waren auch das jesuitische Gymnasium und die Universität, deren Professoren den Lehrbetrieb zwischen August und Oktober vollständig einstellten und teilweise die Stadt verließen.[42]

Der dritte Baumeister: Meister Gottfried Köhler aus Kassel (1626–28)

„ao. 1626. Da haben wir ein Meister bekumen von Kassel Godefridus Köller, der hat diese Wasserkunst gemacht.“[43] Der hier von den Jesuiten genannte Gottfried Köhler entstammte einer Familie, deren Gießereibetrieb in der Landeshauptstadt der Landgrafschaft Hessen-Kassel ansässig war. Zur ihren Gründern gehörte neben George Köhler d. Ä. auch Gottfried, zu deren Produkten neben bronzenen Kirchenglocken und Grabplatten seit dem Dreißigjährigen Krieg auch Kanonen. [44] Der hessische Familienbetrieb, dessen Werkstatt sich wohl im Alten Zeughaus in der Schäfergasse befand, avancierte im 17. Jahrhundert rasch. Zu Gottfrieds Nachfolgern zählten im 18. Jahrhundert mit George d. J. und Joist Heinrich Köhler zwei fürstliche Stückgießer des Landesherrn, für deren Betrieb Landgraf Karl ab 1704 ein neues Gießhaus nahe der Klosterkaserne in der Weserstraße errichten ließ.[45] Die Arbeiten an der Paderborner Jesuitenwasserkunst wurden unter Gottfrieds Aufsicht bis zur vollen Funktionsfähigkeit der Anlage fortgeführt. Hierzu zählte neben dem Gießen der noch fehlenden Pumpzylinder auch das Legen der Steigleitung in den Wirtschaftstrakt des Kolleggebäudes und die Errichtung eines Hochbehälters. Letzterer wurde im oberen Stockwerk des Backhauses an der heutigen Jesuitenmauer installiert, dem höchsten Punkt im Gelände, von dem aus u. a. die Küche im Alten Südflügel mit Frischwasser versorgtwurde.[46] Zudem wurde im südlichen Kolleggarten ein steinerner Kump oder Laufbrunnen errichtet. Für dessen Aufsatz goss Meister Gottfried wohl zum Abschluss seiner Arbeiten im Jahr 1628 eine Bronzemadonna, die heute noch auf dem Vorplatz des Gymnasiums Theodorianum am Kamp steht.[47] Über weitere technische Details seiner Abschlussarbeiten wie die Frage, ob in Kassel zwei oder drei Pumpstiefel gegossen worden sind, verraten die Akten bisher nichts. Es darf jedoch vermutet werden, dass anstatt der beiden gusseisernen Zylinder, die Jacob Hein vorgesehen hatte, tatsächlich korrosionsbeständigere Bronzestiefel gegossen worden sind. Denn deren Einbau erfolgte nach dem Dreißigjährigen Krieg auch in der Paderborner Stadtwasserkunst, wobei mit den Gebrüdern Andreas und Nikolaus Kohler erneut die Firma aus Kassel beauftragt worden ist.[48] Das zuvor von Gottfried Köhler errichtete Pumpenhaus der Jesuiten war nach deren Aussage offenbar zu hoch geraten, weil „der Wint das Haus zu fiel beweget“.[49] Die Holzkonstruktion wurde schließlich 1628 oder 1629 abgebrochen, wobei der (in Stein ausgeführte?) Neubau solider fundamentiert worden ist.

Somit kann die Technik der Jesuitenwasserkunst aus den 1620er-Jahren als Vorläufer der modernisierten Stadtwasserkunst der 1650er-Jahre gelten. Der generationsübergreifende Wissenstransfer verlief in diesem Fall überkonfessionell und betriebsintern ab: Die katholische Stadt als weltliche Auftraggeberin orientierte sich nach dem Westfälischen Friedensschluss am geistlichen Vorbild der Jesuiten. Der Rat beauftragte, ganz pragmatisch, dieselbe Firma, welche unter dem Schutz eben jener protestantischen Landesherrschaft stand, deren Fürstin Amelia Elisabeth (1602–1651) noch jüngst gewaltsam versucht hatte, ihrem Land das Hochstift Paderborn einzuverleiben.[50] Techniktransfers des 17. Jahrhunderts bewegten sich hier, wie anderswo auch, im Fahrwasser der frühneuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte. Für deren Wissens-, Waren- und Finanztransaktionen spielten konfessionelle oder politische Grenzziehungen offenbar nur eine untergeordnete Rolle.

[1] Manfred Balzer taxiert den spätmittelalterlichen Bevölkerungsanstieg Paderborns zwischen 1400 und 1620 auf nahezu eine Verdoppelung von 2500 auf 4500 Einwohner. Ders., Paderborn, in: Heinz Stoob (Hg.), Westfälischer Städteatlas, Lieferung II, Nr. 11, Altenbeken 1981. Zur hoch- und spätmittelalterlichen
Bevölkerungsentwicklung vgl. Matthias Becher, Zwischen Reichspolitik und regionaler Orientierung. Paderborn im Hochmittelalter (1050–1200), in: Jörg Jarnut (Hrsg.), Paderborn –Geschichte der Stadt in ihrer Region, Bd. 1: Das Mittelalter, Paderborn u. a. 1999, S. 167–170 sowie zum epidemisch bedingten Bevölkerungsaustausch nach 1350 Heinrich Schoppmeyer, Die spätmittelalterliche Bürgerstadt (1200–1600), in: ebd., S. 292–303.

[2] Vor allem für die wasserintensiven Gewerbe der Bierbrauer und Bäcker stellten die zeitaufwendigen Fahrten eine finanzielle Belastung ihrer Betriebe dar. Wurde die Wasserzufuhr, wie für den Sommer 1779 belegt, durch Reparaturarbeiten an den Stadtkümpen unterbrochen, blieb den „privat Bürgere[n],
so zum Brawen oder sonsten mehreres wasser benötiget seynd“ nur,wie es im Protokoll des Geheimen Rates hieß, „solches waßer von der Pader anfahren zu laßen …“.Kopie „Extractus Protocolli Consilii Intimi Paderb.[ornensis]“, 1. September 1779, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt.Westfalen, Domkapitel Paderborn, Nr. 253, Nr. 19, Bl. 1r–2v, hier Bl. 2r.

[3] Kurze Aufarbeitung der Baugeschichte jüngst bei Klaus Hohmann, Vom Theodorianischen Ensemble bis zur Theologischen Fakultät der Gegenwart: Bau- und Nutzungsgeschichte, in: Josef Meyer zu Schlochtern (Hrsg.), Die Academia Theodoriana. Von der Jesuitenuniversität zur Theologischen Fakulta¨t Paderborn 1614–2014, Paderborn 2014, S. 435–459, hier S. 439.

[4] In einer Replik des Paderborner Stadtrates auf das Begehren der Jesuiten, an das städtische Versorgungsnetz angeschlossen zu werden, heißt es in Art. 6: „daß das Collegium mitt dreien gutten Soeden versorgett“ sei. Abschrift „Etzliche vrsachen“, o.D., Erzbischöflich Akademische Bibliothek Paderborn
(im Folgenden: EAB), Studienfonds Paderborn, Akten I, Nr. 30, Bl. 11v.

[5] Notiz auf der Rückseite des „Contractus inter Aquaeductorem Heinaeum et Collegium 1624“, EAB, Studienfonds Paderborn, Akten I, Nr. 30, Bl. 4v.

[6] In Pater Sanders „Jesuitenannalen“ heißt es hierzu im Rückblick: „Der hochwürdige Pater Rektor [Hermann Bavingh] rechnete es sich selbst an, dass er allzu vertrauensselig dieses Kunstwerk einem Mann übertragen hatte, der darin noch nie Erfahrung gesammelt hatte und der ihn mit großspurigen Worten gleichsam betört oder doch wenigstens überzeugt hatte, dass er mit geringsten Kosten dieses Werk vollenden werde.“ Mit Blick auf den Orgelbauer Hein endet die Sentenz recht zerknirscht: „So lehrte dieser Tag, dass man jemanden nur in seiner eigenen Kunst vertrauen darf.“ Zit. n. Johannes Sander S. J., Geschichte des Jesuitenkollegs in Paderborn 1580–1659, übers. von Gerhard Ludwig Kneißler, Paderborn 2011, S. 593.

[7] Zur Geschichte des Prototyps aus Fritzlar vgl. Albrecht Hoffmann, Meister technischer Brunnenwerke in Hessen vor dem Dreißigjährigen Krieg, in:  Schriftenreihe der Frontinus-Gesellschaft 12 (1989), S. 84–126, hier S. 88–93.

[8] Vgl. Ulrike Melzer, Historische Formen der Wasserversorgung in den Städten des ehemaligen Hochstifts Paderborn, Bonn 1995, S. 89.

[9] Vgl. Hoffmann, Meister technischer Brunnenwerke (wie Anm. 3), S. 91. Als Baumeister dieser ersten hessischen Wasserkunst kommt der Fritzlarer Stiftsherr Heinrich von Hatzfeld in Frage, dessen Kurie noch heute in unmittelbarer Nachbarschaft der Stiftskirche St. Peter steht. Am 25. November 1419 schloss v.Hatzfeld mit der Stadt Gru¨ nberg einen Vertrag zur Errichtung eines Brunnenwerkes, das nach dem Vorbild Fritzlars errichtet werden sollte. Abschrift dieser Urkunde ebd., S. 116.
 

[10] Vgl. die biographische Skizze von Gerhard Aumüller, Geschichte der Orgel von Bad Wildungen im 16. und 17. Jahrhundert, in: Alfred Reichling (Hrsg.), Festschrift für Friedrich Wilhelm Riedel zum 80. Geburtstag, Kassel 2009, S. 111–148, hier S. 113–118. Für diesen und weitere wertvolle Hinweise aus der Musikgeschichte bin ich Prof. Dr. Aumüller sehr zum Dank verpflichtet.

[11] Vgl. Fragmente seines schriftlichen Nachlasses im Archiv der Paderborner Jesuiten, EAB, Studienfonds Paderborn, Akten I, Nr. 30, Bl. 18r–28r. Laut einer Quittung des Kollegs sind „M Jacob Heinaeus“ zwischen dem 14. Oktober 1623 und 12.Mai 1624 „ratione aquaeducte … vndt ratione des [Orgel-] positives“ in 17 Terminen insgesamt 76 1/2 Reichstaler ausbezahlt worden. Ebd., Bl. 17r. Nach Gerhard Aumüller handelte es sich um die einmanualige Springladen-Orgel, die Fürstbischof Dietrich v. Fürstenberg dem Jesuitenkolleg gestiftet hatte. Ders., Subtile Patronage? Die westfälische Organistenfamilie Busse und ihre Beziehungen zu Kaspar von Fürstenberg (1545–1618), in: Jahrbuch für mitteldeutsche Kirchen- und Ordensgeschichte 5 (2009), S. 47–103, hier S. 84.

[12] So die Einschätzung von Hoffmann, Meister technischer Brunnenwerke (wie Anm. 3), S. 91.

[13] Eine kurze handschriftliche Chronik zur Wasserkunst und ihrem Leitungsnetz findet sich in der Fritzlarer Dombibliothek/-archiv bei Philipp Dux, Stoffsammlung zur Geschichte der Stadt Fritzlar (1896), Ms 198. Für entsprechende Hinweise danke ich Margit Vogt (Dombibliothek/-archiv) und
Clemens Lohmann (Stadtarchiv Fritzlar). Vgl. auch Albrecht Hoffmann, Zum Stand der städtischen Wasserversorgung in Mitteleuropa vor dem Dreißigjährigen Krieg, in: Frontinus-Gesellschaft (Hrsg.), Die Wasserversorgung in der Renaissancezeit, Mainz 2000, S. 101–144, hier S. 123, Abb. 34.

[14] Vgl. Gerhard Aumüller, Ein vielfältig begabter Nordhäuser: Michael Hirschfelder (um 1550 – 1602) – Lehrer, Dichter, Arzt, Astronom, Architekt, Musiker und Mechaniker, in: Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Landkreis Nordhausen 43 (2018), S. 118–134.

[15] Gerhard Aumüller charakterisiert ihn nach Auswertung seiner Briefe als „selbstbewusste Persönlichkeit“. Ders., Geschichte der Orgel (wie Anm. 7), S. 138.

[16] Der Chronist wirft dem ehemaligen Rektor Hermann Bavingh explizit vor, dass er „dieses Kunstwerk einem Mann übertragen hatte, […] der ihn mit großspurigen Worten gleichsam betört oder doch wenigstens überzeugt hatte.“ Zit. n. Johannes Sander S. J., Geschichte des Jesuitenkollegs in Paderborn 1580–1659, übers. von Gerhard Ludwig Kneißler, Paderborn 2011, S. 593.

[17] In Heins eigenhändig verfasstem Tätigkeitsbericht, den er nach seiner ‚Flucht‘ aus Paderborn im Herbst 1624 im Kolleg zurückließ, betont der Orgelbauer, dass er nach „vielfeltiges schreiben vnnd ahnhalten der Jesuiten“ am 10. September 1623 in Paderborn eingetroffen sei. Schon fünf Tage später, am 15. September, sei er „abend[s] geholt worden wegen der Waßerkunst“: EAB, Studienfonds Paderborn, Akten I,Nr. 30, Bl. 12r–27v. Tätigkeitsbericht Hein „Wie es stehtmitt dem Wasserkunst bau vnnd was ferner vorzunehmen“, o. D. (1624), hier Bl. 21r. Dem steht die Schilderung der Jesuiten entgegen. In ihr wird behauptet, dass der „Orgelmacher Meister Jacob von Fritzlar“ ausschließlich nach Paderborn gekommen sei, um „unsere Orgel wieder zu recht und guet [zu] machen“. Erst später, als Hein „wahrnahm, daß wir eine Wasserkunst wollten legen, da meinet er, er wolt die Wasserkunst selpste machen. Das hat er erhalten.“ EAB, Archiv des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens Abteilung Paderborn, Cod. 169, S. 96.

[18] EAB, Studienfonds Paderborn, Akten I, Nr. 30, Bl. 3r–4r.

[19] Sander, Geschichte des Jesuitenkollegs (wie Anm. 12), S. 593.

[20] Ebd., S. 592.

[21] Vgl. Tätigkeitsbericht Hein (wie Anm. 13), Bl. 21r: Nach seiner Ankunft in Paderborn sei er „den 15 [September 1623] abend geholt worden wegen der Waßerkunst vnd beschlossen auff Eisenrören […] vnnd müssen zu Almen gegossen werden“.

[22] Ebd., Bl. 21v: „Zur vierden wochen hatte ich abermalen hingereiset [nach Alme] vnd 200 schuch vngeffehr lassen giessen, … Den 7. Januarij [1624] widerrumb nach Allmen gereiset vnnd in 14 tagen 100 stück gießen lassen“.

[23] Vgl. EAB, Studienfonds Paderborn, Akten I, Nr. 30. Instruktion des Meisters Jacob Hein, Art. 5, Bl. 23r.

[24] Tätigkeitsbericht Hein (wie Anm. 13), Bl. 24r: „1. Daß Radt ist fein gemacht hatt auch fals [=Wasserfall] oder tribt [= Antrieb] genugsamb seiniges zuverichten“.

[25] Vgl. Instruktion Hein (wie Anm. 19), Bl. 19r, an den Zimmermann, der das „Kunst Haus bauwen soll … 2. Daß Radt soll 14 Schuch hoch vnndt 3 schuch weit gemacht werden“.

[26] Tätigkeitsbericht Hein (wie Anm. 13), Bl. 24r: „2. … seind gestern die Nagel oder Zapfen in einer Viertel stunden so warm worden, daß man keinen finger daran leiden konnte.“.

[27] Instruktion Hein (wie Anm. 19), Bl. 12r: „2. Einen Trog von steinen vmb Sauberkeit willen 5 schuch lang, 4 schuch hoch 3 in der erden vnnd einen daroben, vnnd 3 schuch weit … soll er von 5 stucken zusamen gesetzt vndt mitt Eisernen Klammern verwahret“.

[28] Instruktion Hein (wie Anm. 19), Bl. 25r: „4. Mußdurch den Schreiner ein buchholtz rund gehobelt werden /: nach meiner Anweisung :/ vnd eine Zwerg Stange darauff zum ausboren der mörsel.“

[29] Zur konfliktreichen Gründungsgeschichte des Hüttenwerkes, über dessen Finanzierung die vier Gebrüder Johann Melchior, Alhardt Georg, Salentin und Mordian von Meschede stritten, vgl. die notarielle „Gegenerklärung“ Johann Melchiors, o.D., LWL-Archivamt für Westfalen Münster, Adelsarchiv Alme, F 88, unfol. Interessanter Weise waren die jüngeren Brüder des adeligen Hüttenbesitzers Johann Melchior Domherren an der Paderborner Kathedralkirche. Womöglich findet sich in diesem Umstand eine Erklärung, warum der Auftrag zum Gießen der Eisenrohre zunächst in das „ausländische“ Alme (Herzogtum Westfalen), und nicht in das näherliegende Altenbeken (Hochstift Paderborn) gegangen ist.

[30] Instruktion Hein (wie Anm. 19), Bl. 26r: „1. Die Rören, so zu almen gegossen, wieviel denen ohne mangel sein sollen abgeholet vnnd wie viel 400 schuch [ca. 120m] sich die erstrecken wird Zeit geben.“

[31] Instruktion Hein (wie Anm. 19), Bl. 22r: „An den zu Beken [= Altenbeken] grob geschlagenen Eisen soll der schmid arbeiten“. Zur Geschichte des kleinen Montanreviers um Altenbeken vgl. Heinrich Neuheuser, Geschichte der Gemeinde Altenbeken, Paderborn 1961, S. 105–125, bes. S. 113–121.

[32] In einer Abschrift des 19. Jahrhunderts heißt es wörtlich: „Da aber die Wasserkunst verdorben war, da reißt er [JacobHein] bei derNacht … zue der Statt hinaus“. EAB,Archiv des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung Paderborn, Cod. 169, S. 96.

[33] Nach Ausweis einer Quittung der Paderborner Jesuiten wohnte der Orgelbauer von Mitte September 1623 bis Mitte Mai 1624 im Kolleggebäude, um an der defekten Orgel und der Wasserkunst parallel zu arbeiten. Eine Abreise nach Fritzlar ist für den 12.Mai dokumentiert. Unterbrochen wurde sein Aufenthalt an der Pader jedoch von mindestens sieben Reisen und längeren Aufenthalten im sauerländischen Alme. Im dortigen Hüttenwerk überwachte er den Guss der Leitungsrohre und anderer Bauteile derWasserkunst. Mit dem dortigen Hüttenmeister(?) „Christoffel“ hatte Pater [Johannes] Bucholtz im Herbst 1623 einen separaten Liefervertrag in Paderborn geschlossen, dessen Inhalte auf dem St. Galli-Markt am 16.Oktober verhandelt worden sind. Ta¨tigkeitsbericht Hein (wie Anm. 31), Bl. 21r–21v.

[34] Vgl. Gerhard Aumüller, Geschichte der Orgel von Bad Wildungen im16. und 17. Jahrhundert, in: Alfred Reichling (Hrsg.), Festschrift für Friedrich Wilhelm Riedel zum 80. Geburtstag, Kassel 2009, S. 111–148, hier S. 114.

[35] „Contractus cum M. Joe Hollando vom Statberg“, o. D. (1624/25), EAB, Studienfonds Paderborn, Akten I, Nr. 30, Bl. 5r–5v. Vgl. auch Klaus Hohmann, Vom Theodorianischen Ensemble bis zur Theologischen Fakultät der Gegenwart: Bau- und Nutzungsgeschichte, in: Josef Meyer zu Schlochtern (Hrsg.), Die Academia Theodoriana. Von der Jesuitenuniversität zur Theologischen Fakultät Paderborn 1614–2014, Paderborn 2014, S. 435–459, hier S. 444, Anm. 57.

[36] Nach Ausweis der ältesten überlieferten Bürgerlisten der Doppelstadt Ober- und Niedermarsberg von 1617 bzw. 1628 hatte Meister Johann offenbar nicht das Bürgerrecht erworben. Zum Jahr 1617 vgl. Erich Wasmansdorff, Das älteste Marsberger Annalenbuch. Eine sippenkundliche Quelle vor dem
Dreißigjährigen Krieg, in: Archiv für Sippenforschung 14/4, 1937, S. 111–116; zur Matrikel von 1628 vgl. Johann Zimmermann, Die ältesten Bürgerlisten von Obermarsberg, Niedermarsberg u. Erlinghausen 1628, Stadtarchiv Marsberg, V-A-B 2, Sp. 73–82. Freundlicher Hinweis von Stadtarchivar Siegfried Stolz.

[37] Vgl. Wilfried Reininghaus, Eisengruben, -hütten und -hämmer um Marsberg, in: Marsberger Heimatbund (Hrsg.), Marsberg Horhusen – Stadtgeschichte aus 11 Jahrhunderten, Marsberg 2000, S. 479–499, hier S. 491; zur Marsberger Montangeschichte Ders./Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen (wie Anm. 38), S. 281–291.

[38] Vgl. Umzeichnung des Stadtplans nach dem Urkataster von 1830 bei Hans-Georg Stephan, Die Siedlungsgeschichte von Marsberg-Horhusen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Marsberg-Horhusen (wie Anm. 65), S. 15–79, hier S. 43, Abb. 15; ebenso der Plan von L. F. Corfey (1693), S. 51.

[39] „Contractus cum M. Joe Hollando vom Statberg“, o. D. (1624/25), EAB, Studienfonds Paderborn, Akten I, Nr. 30, Bl. 5r.

[40] Ebd., Bl. 6v.

[41] Sander, Geschichte des Jesuitenkollegs (wie Anm. 12), S. 593.

[42] Vgl. ebd. Sanders Eintrag für das Jahr 1625, S. 599.

[43] Zit. n. Franz Schröder, Geschichte der Wasserversorgung der Stadt Paderborn, unveröffentl. Ts. Paderborn 1981, S. 125–138, hier S. 125.

[44] Älteste Nachweise für den Bronzeguss aus der Firma Köhler zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Bronzetafel der Grabplatte des Bürgermeisters von [Hannoversch] Münden Joachim Mecke († 1612), St. Blasius-Kirche, durch Gottfried Köhler; Kirchenglocke für die Gemeinde Ippinghausen (Kreis
Wolfhagen) 1621 durch George Köhler. Vgl. Sabine Wehking, Deutsche Inschriften online, DI 66, Nr. 299 (www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0029902 [Zugriff 28. 11. 2018]); Heinrich Wenzel, Das Fürstlich-Hessische Gießhaus und seine Gießer zu Kassel, Bd. 1, Kassel-Wilhelmshöhe
1927, Universitätsbibliothek Kassel, Manuskript B1079.

[45] Zum Alten Zeughaus vgl. Boris Krüger /Volker Mueller, Das Zeughaus in Kassel. Bilder aus seiner Geschichte, Kassel 2004, S. 20f. Zum barocken Neubau des fürstlichen Gießhauses Ernst Metz, Hochfürstlich Hessische Residenzstadt Cassel, Kassel 1961, S. 73f.

[46] Vgl. Hohmann, Vom Theodorianischen Ensemble (wie Anm. 31), S. 443f.

[47] Diese Mondsichelmadonna wurde vermutlich um 1665 auf den zentralen achteckigen Laufbrunnen umgesetzt, den Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg dem Kolleg gestiftet hatte. Vgl. Norbert Börste, Das älteste Franziskanerkloster und die früheste gotische Kirche in Paderborn unter dem
Schulhof des Theodorianums, in: Die Warte 171/2016, S. 13–15, hier S. 14f.; Annette Fischer, Paderborn, Paderborn 2004, S. 61. Im Jahr 1673 sollte ein defekter „in Collegij Garten stehende[r] wasserkump“ der Jesuiten von einem Meister Benedikt aus Elsen repariertwerden. Vgl. dessen Kontrakt vom
6. September 1673, EAB, Studienfonds Paderborn, Akten I, Nr. 30, Bl. 28r.

[48] Vgl. Reparaturvertrag der „Wolerfarnen Meister“ Andreas und Nikolaus Köhler mit der Stadt Paderborn, 1. Juli 1653. Vereinbart wurde das „Umgießen“ der alten „Mörsell [= Pumpzylinder]“ und die Neuanfertigung von drei längeren Exemplaren mit „allen demienigen, waß zu denselben gehört [und die Meister] zu Caßell fertig machen“ sollten. SKAP, S – A5253, Bl. 310r–310v.

[49] Zit. n. Schröder, Geschichte der Wasserversorgung (wie Anm. 39), S. 125.

[50]  Vgl. Simone Buckreus, Die Körper einer Regentin. Amelia Elisabeth von Hessen-Kassel (1602–1651), Köln 2008.

Mehr erfahren über die Paderborner Wasserkünste

Aufsatz downloaden

Dies ist ein Auszug aus einem Aufsatz des Historikers Prof. Dr. Michael Ströhmer. Der Originaltitel des Aufsatzes lautet: "Die Paderborner Wasserkünste als technische Denkmale des europäischen Kulturerbes ECHY 2018". Sollten Sie weiteres Interesse an der Geschichte der Paderborner Wasserkünste haben, empfehlen wir Ihnen den vollständigen Aufsatz (PDF-Datei) herunterzuladen.

Zum Kontaktformular

Haben Sie ein noch nicht erwähntes Thema in Bezug zur Pader entdeckt? Wir würden uns freuen, wenn Sie mithelfen "Licht ins Dunkel" zu bringen. Schicken Sie uns deshalb gerne Ihre eigenen Artikel rund um die Pader zu!