Eingriffe in die Fließgewässer - landschaftliche Veränderungen der Pader und Umgebung

Landschaftsgeschichte

Pader, Lippe und Alme im landschaftlichen Umfeld;
Kartenvorlage: TK50 von GEOBASIS NRW, 2014; Gitter (GK3): blau DGK5, 2x2 km; grün= TK25; Entwurf und Zeichnung: M. Hofmann 2020

Fließgewässer stehen mit ihrem Umfeld in engem Austausch: Eingriffe in die Gewässer haben Auswirkungen auf die Landschaft, und umgekehrt beeinflussen Veränderungen in der Landschaft die Gewässer. Am Beispielraum Bad Lippspringe – Paderborn – Schloss Neuhaus soll dieses Wechselspiel verdeutlicht werden. Durch Analyse und Rückverfolgung einzelner Eingriffe lassen sich die landschaftliche Situation vor diesen Eingriffen beleuchten und Erklärungen finden für den gegenwärtigen Zustand, der sich z. T. im Laufe vieler Jahrhunderte allmählich einstellte, stellenweise werden sogar Ausblicke auf die künftige Entwicklung möglich. Die bedeutendsten Fließgewässer im angegebenen Gebiet sind Lippe und Pader. Die Abb.1 vermittelt einen topographischen Überblick über die genannten Fließgewässer und ihre Einbindung in einen größeren landschaftlichen Rahmen.

Pader, Lippe und Alme im landschaftlichen Umfeld
Pader, Lippe und Alme im landschaftlichen Umfeld (Abb. 1) Kartenvorlage: TK50 von GEOBASIS NRW, 2014; Gitter (GK3): blau DGK5, 2x2 km; grün= TK25; Entwurf und Zeichnung: Hofmann 2020

Pader-Lippe-Komplex

Zwischen dem Lippeknie bei Neuhaus-Sande und dem Zentrum von Paderborn münden linksseitig nur zwei Wasserläufe in den nach Nordwesten gerichteten Flussabschnitt, nämlich der ehemalige kleine Riemekebach dicht westlich der Altstadt von Paderborn, der heute leider in Röhren der Kanalisation verschwunden ist, und die aus südlicher Richtung kommende Alme. Rechtsseitig dagegen gibt es zahlreiche Zuflüsse. Sie kommen aus nordöstlicher Richtung, verlaufen annähernd parallel zueinander und treffen etwa senkrecht auf den nach Nordwesten gerichteten Flusslauf (Abb.2 und 5). Zwischen dem Lippeknie und Neuhaus sind dies Mömmen-, Thune- [3] und Krebsbach sowie der von Lippspringe kommende nördliche (= westliche) Arm der Lippe. Weiter in Richtung Paderborn kommen Gräben und ehemalige Wasserläufe hinzu, die in Teil I mit dem südlichen (= östlichen) Arm der Lippe in Verbindung gebracht wurden, insbesondere der Dubelohgraben und der Rothebach (Abb.2). Die nach Nordwesten gerichtete Laufstrecke lässt sich als zentrale Sammelader auffassen, die alle genannten Zuflüsse aufnimmt und gebündelt ableitet. Im mittleren Abschnitt des nach Nordwesten gerichteten Wasserlaufs hat sich eine etwas höhere Sedimentbank gebildet. Sie beginnt in der Nähe des heutigen Padersees, und sie reicht bis in die Gartenanlagen des Neuhäuser Schlosses. Sie bewirkt, dass sich die nach Nordwesten gerichtete Sammelader in zwei Arme spaltet. Unterhalb der Sedimentbank vereinigen sich beide Arme wieder und fließen dann gemeinsam in Richtung Sande (Abb.2).

Geomorphologische Einheiten Übersicht
Geomorphologische Einheiten (Übersicht) (Abb. 2), Entwurf und Bearbeitung: Hofmann 2020

Die Wasserläufe beiderseits der Sedimentbank haben durch menschliche Eingriffe starke Veränderungen erfahren: Dem westlichen Arm wurde die größere Wassermenge zugeführt, da er ausgewählt wurde, Energielieferant für mehrere Wassermühlen zu werden. Zu diesem Zwecke wurde sein Lauf ausgebaut, der Abfluss in ein enges künstliches Bett gezwängt, streckenweise auf beiden Seiten von Dämmen eingefasst und so geführt, dass sein Wasserspiegel ein geringeres Gefälle aufweist als die Tiefenlinie des Tales, so dass der Fluss allmählich die Scheitelhöhe der Sedimentbank erreicht, was gewünscht wurde, um ein möglichst großes Energiepotential zum Betreiben von Mühlenrädern zu erzielen. Dieser künstliche Wasserlauf, der gegenwärtig unter der Bezeichnung Pader firmiert, sollte besser Mühlenpader oder einfach Mühlenbach heißen. Von dem ursprünglichen Wasserlauf ist auf der Talsohle westlich der Sedimentbank kaum noch etwas zu erkennen. Zur Ableitung der im Taltiefsten sich sammelnden Feuchtigkeit wurde ein geradliniger Entwässerungsgraben geschaffen, der direkt zur Alme führt. Auf der TK25 Blatt 4218 Paderborn von 1896 (Neuaufnahme) tritt dieser Graben deutlich in Erscheinung (Abb.10).

Wasserableitung von der Pader zur Alme
Wasserableitung von der Pader zur Alme (Abb. 10); Kartenvorlage: TK25 Blatt 4218 Paderborn, Ausgabe 1896; Gitternetz nach DGK5, 500x500 m, GK3; Entwurf und Bearbeitung: Hofmann 2020

An der Mühlenpader wurde ca. 500 m südlich des Paderborner Tores in Neuhaus die Walkemühle erbaut (Abb.10), die heute nicht mehr in Funktion ist (STRÖHMER 2019: 8). Bei ihr wurde früher bereits ein Teil des Pader Wassers aus dem auch dort schon angehobenen Flusslauf zum Taltiefsten abgeleitet. Nach Ausnutzung des Gefälles wurde das Unterwasser am westlichen Rande der Sedimentbank entlang geführt, in einem neugeschaffenen Graben unmittelbar neben der Straße Paderborn ­ Schloss Neuhaus (Schloss-Straße). Dieser Ableitungsgraben wurde ganz an den Rand der höheren Sedimentbank gelegt und der Übergang zum Rücken durch Materialabtrag noch versteilt [4], um die früher sehr geschätzte flößbare Wiesenfläche auf der Talsohle möglichst auszudehnen. Die ehemaligen Gräben zur Zu- bzw. Ableitung des Flößwassers lassen sich bei Geländeaufnahmen mit dem Laserscan-Verfahren an vielen Stellen noch gut erkennen (Abb.11).

Ehemalige Flößwiesen Pader
Ehemalige Flößwiesen an der Pader / Schloss Neuhaus (Abb. 11); Quelle: GEOBASIS NRW, 2020, govdata.de/dl-de/zero-2-0

Am Paderborner Tor, am Eingang zur Altsiedlung von Neuhaus, gab es wenigstens zwei weitere Wassermühlen (Abb.10) und eine Vorrichtung zum Betreiben eines Springbrunnens im Schlosshof, eine sog. Wasserkunst (STRÖHMER 2019). Die Mühlen lagen – wie Teile der Altsiedlung im Umfeld der Kirche und das Schloss mit Teilen des Barockgartens – auf dem schmalen Rücken zwischen den Paderarmen, also etwas höher und trockener. Die Zufuhr des Wassers zu den Mühlenrädern erfolgte über die angehobene und zwischen den beiderseitigen Dämmen etwas aufgestaute Pader, wie bereits ausgeführt, die Wasserableitung über Gräben zum Flussarm östlich der Sedimentbank bzw. zur Lippe. Die Ableitungsgräben durchschnitten den Rücken und wurden so angelegt, dass zwischen Ober- und Unterwasser eine möglichst große Höhendifferenz erzielt werden konnte. In die Gräben zur Ableitung des Unterwassers wurde auch der Ablauf von der Walkemühle geleitet (Abb.10 und 11). Der Wasserlauf östlich der Sedimentbank verkümmerte, da ihm viel des ursprünglich hier abfließenden Wassers entzogen wurde. Er erhielt die Bezeichnung „Kleine Pader“. Auch er wurde zwischen 1830 und 1890 zu einem geradlinigen Entwässerungsgraben umgestaltet, wie es der Vergleich der Urkatasteraufnahmen (um 1830) bzw. des Urmesstischblattes (1837) mit der Neuaufnahme der TK25 (1896) dokumentiert. Die Situation gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeigt die Abb.10.

Die Pader zwischen Paderborn und Neuhaus nach Grothaus 1680
Die Pader zwischen Paderborn und Neuhaus nach Grothaus 1680 (Abb. 12); Quelle: Koch, J. 1977, S.248f.; verändert: verkleinert, Übersetzung hinzugefügt

Auch Josef Koch (1977: 248 f), der eine Kartenskizze „von Johannes Grothaus, S. J., aus der Zeit um 1680“ auswertete, kam zur Auffassung, dass die Kleine Pader „den alten Lauf der Pader wie er von Natur gemacht war“ darstellt, und dass der heute größere Wasserlauf „den künstlich geschaffenen Flußlauf, der zur Hebung des Wasserspiegels (Wasserkunst) und wegen der Anlage der Mühle und eines Linpades nach SW verlegt und kanalisiert worden ist“, anzeigt. Die Abb.12 gibt die von Koch reproduzierte Kartenskizze in verkleinerter und etwas veränderter Form wieder. Der von Koch angenommene Leinpfad, der seiner Meinung nach die Möglichkeit bot, „ein Wasserfahrzeug vom Ufer aus durch Pferde- oder Menschenkraft mittels Zugtau (Treidel) stromaufwärts zu ziehen“ (ibid.) und die Pader schiffbar zu machen, lässt sich an der Mühlenpader aufgrund der oben dargelegten morphologischen Verhältnisse allerdings nur zwischen Paderborn und den Neuhäuser Mühlen verwirklichen. Denn an den Mühlen gab es keine Schleusen, durch die Schiffe vom Unterwasser zum Oberwasser oder umgekehrt hätten gehoben werden können. Für einen Schiffsweg von Neuhaus nach Paderborn käme nur die Kleine Pader in Frage, da nur sie eine durchgehende Fahrt zwischen den genannten Orten ermöglichte. Für die Kleine Pader bedeuten die Annahmen von Koch, dass diese vor Ausbau der Mühlenpader zumindest über einen höheren Abfluss verfügte oder eventuell sogar den Hauptabfluss aufnahm.

Weiter talaufwärts erstreckt sich zwischen der Sedimentbank und der Paderborner Stadtmauer ein Abschnitt der Pader, der hier als obere Pader bezeichnet werden soll. In diesem Abschnitt wurde der Wasserlauf, der ursprünglich dort ebenfalls stark mäandrierte, durch Stauvorrichtungen sowie zahlreiche Zu- und Ableitungsgräben für die Wiesenwässerung verändert. Die angelegten Flößwiesen nahmen zeitweilig den gesamten künstlich umgestalteten Talboden ein (TK25 Blatt 4218 Paderborn von 1896). Später wurden in den aufgelassenen Flößwiesen Hochwasserschutz- und Erholungseinrichtungen (Padersee) geschaffen und größere zum Fürstenweg hin gelegene Abschnitte als Siedlungsflächen genutzt. Im Mündungsbereich des Rothebaches lag (1878-1912) die „Curanstalt Inselbad“ mit Kurhotel und großzügigen Parkanlagen (MICHEL 1992; VÖLKEL u.a. 2014). Dort zutage tretende Mineralquellen (Ottilien-, Marien-Quelle) wurden als Heilmittel eingesetzt. Auch der zwischen dem Fürstenweg und der Stadtmauer liegende Abschnitt des Padertales diente eine Zeit lang als Wiesengelände mit Flößeinrichtungen. Die Wasserabflüsse aus den Quellen im Zentrum von Paderborn bereiteten bei der Stadtmauer am Randes der Altstadt Schwierigkeiten. Denn unter wehrtechnischen Gesichtspunkten stellte jede Unterbrechung der Mauer in früheren Zeiten einen neuralgischen Punkt dar. Um die Gefährdung zu minimieren, wurden die Quellarme der Pader bereits innerhalb des ummauerten Bereiches zusammengeführt und gebündelt an einer Stelle durch die Stadtmauer geleitet. Die gebündelte Ableitung des Quellwassers wurde auch außerhalb der Stadtmauer noch über eine kurze Strecke fortgesetzt. Auf die Veränderungen der Wasserläufe innerhalb des ummauerten Altstadtgebietes, wo es an vielen Stellen zu deren Einengung durch Mauern oder andere Bauwerke kam, wo Quellteiche aufgestaut und kanalartige Laufstrecken zu den zahlreich vorhandenen Wassermühlen geschaffen wurden, soll nicht eingegangen werden, weil deren Bearbeitung eine sehr kleinräumige Betrachtung voraussetzte, die mit der hier gewählten Dimensionalität nicht zu leisten ist.

Begradigung und Verkürzung der Fließgewässer 1980
„Begradigung und Verkürzung der Fließgewässer um 1980“ (Abb. 5), Kartenvorlage: TK25 Blatt 4218 Paderborn, Fortführungsstand 1977 = vor Beginn von Renaturierungsmaßnahmen; Gitternetz im Blattschnitt der DGK5, 2 x 2 km, Koordinaten nach Gauss-Krüger, Zone 3, Entwurf und Zeichnung: M. Hofmann 2020

In den Jahren 1979-80 wurde in der Paderaue der Padersee geschaffen. Er sollte dem Hochwasserschutz und der Erholung dienen. Problematisch war jedoch, dass die Pader durch den See geleitet wurde. Dadurch wurde die für den See ausgebaggerte Hohlform zur Falle für die vom Fluss transportierten grobpartikulären Sedimente sowie für Schweb- und Schwimmstoffe. Während die Schwimmstoffe, Holz, Plastik und diverse andere schwimmfähige Abfälle, die im städtischen Umfeld in den Fluss gelangten, an der Seeoberfläche schwammen und von den vorherrschenden Winden vorwiegend an die östlichen Uferbereiche getrieben wurden und dort regelmäßige Reinigungsmaßnahmen erforderten, setzten sich die Gerölle und schwereren Substanzen sowie ein beachtlicher Teil der Schwebstoffe im See ab. Das führte zu fortschreitender Verlandung, leicht erkennbar an dem beachtlichen Schwemmfächer, der sich unterhalb der Flusseinmündung bildete und an der zunehmenden Verflachung der Wassertiefe. Die vom Wasser in gelöster Form transportierten Substanzen, bei denen es sich zu einem hohen Prozentsatz um sehr wirksame Pflanzennährstoffe handelt, – sie stammen zu einem großen Teil von den Böden auf der Paderborner Hochfläche, wo sie nach Niederschlägen in Klüften und in Bachschwinden versinken und mit dem Quellenwasser wieder zutage gefördert werden, aber auch von den Ausscheidungen der zahlreichen Wasservögel -, förderten die Eutrophierung, so dass es in dem flachen, gut durchsonnten Stehgewässer zu starkem Algenwuchs kam, was den Verlandungsprozess beschleunigte und zu Geruchsbelästigungen führte. Unterhalb des Sees begann der Fluss sich erneut mit Sediment zu beladen, so dass es dort zur Eintiefung der Sohle (Tiefenerosion) kam. Zudem bewirkten die eutrophen Abflüsse aus dem See eine Belastung des Unterwassers, die nur langsam abgebaut werden konnte. Da sich die Ökosysteme von Fließ- und Stehgewässern stark unterscheiden, musste sich das Flussökosystem nach Einmündung in den See plötzlich in ein Stehgewässerökosystem und nach dem See wieder in ein Flussökosystem wandeln. Die jeweils erforderlichen Umstellungen, verstärkt durch die angezeigten Verschmutzungen, bereiteten Schwierigkeiten, so dass es in beiden Systemen zu erheblichen Störungen kam. Ein zweiter See wurde am Lippeknie in Neuhaus-Sande durch eine Nassabgrabung zur Sand- und Kiesgewinnung geschaffen, der Lippesee. Auch er wurde ursprünglich als Durchfluss-See angelegt, was zu den gleichen Problemen führte, wie sie für den Padersee angezeigt wurden. Unterschiede stellten sich lediglich aufgrund der Größe und Tiefe der Anlage ein. Sie führten zu zeitlichen Verzögerungen bei der Abfolge der Entwicklungsschritte und zu Unterschieden bei der Dimension der Belastungen. Um die Probleme zu mildern wurden inzwischen bei beiden Seen mit großem technischen und finanziellen Aufwand Umfluteinrichtungen fertig gestellt, die es ermöglichen, dass die Seen vom ständigen Durchfluss abgekoppelt und die entsprechenden Abschnitte der Flussläufe am See randlich vorbei geleitet werden. Die neuen Umflutstrecken wirken zwar infolge der räumlichen Beengtheit abschnittsweise relativ künstlich, aber sie tragen zur Reduzierung der oben angeführten Mängel bei, und sie gewährleisten eine uneingeschränkte Durchgängigkeit, die für die Entwicklung von naturnahen Fließgewässern und deren Ökosystemen Voraussetzung ist.

Zustand der Fließgewässer (2020)
Zustand der Fließgewässer (2020) (Abb. 13); Entwurf und Zeichnung: Hofmann 2020

Zusätzlich zu den Umflutanlagen an beiden Seen wurden seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts bei den Fließgewässern an mehreren Stellen Maßnahmen zur Renaturierung in Angriff genommen (BZRG DT 2018; NZO 2013_2; NZO 2014; WOL 2013; 2015) Die Abb. 13 zeigt die größeren veränderten Abschnitte, Stand Mitte 2020. Sie heben sich durch ihren Windungsreichtum von den geradlinigen Verläufen aus früherer Zeit gut ab. Freilich konnten immer nur begrenzte Abschnitte in die aufwendigen Bemühungen einbezogen werden. Die bedeutendsten Abschnitte stellen neben den Umflutstrecken um Pader- und Lippesee die Maßnahmen an der Lippe zwischen Marienloh und Schloss Neuhaus dar. Die Renaturierungsansätze an den Kleinstgewässern, beispielsweise an Rothe- oder Springbach, bekunden gut gemeinte Bemühungen. Leider fehlt den neuen Gerinnebetten über lange Perioden im Jahreslauf das fließende Wasser.

Der Abfluss in der oberen Lippe wird maßgeblich vom Zufluss aus Paderborn, der Pader, bestimmt. Bei Niedrigwassersituation liefert sie den größten Teil des Gesamtabflusses, und auch bei mittlerer Wasserführung erreicht sie noch große Bedeutung. Pegelmessungen der jüngeren Zeit zeigen, dass die Pader mit einer mittleren Abflussmenge (MQ) von 4,27 m³/s fast an den mittleren Abfluss der Alme heranreicht, der mit 4,64 m³/s angegeben wird (DGJ). Die Lippe bringt es nach den Messungen am Pegel Neuhaus vor Einmündung der Pader auf einen mittleren Abfluss von 1,78 m³/s (DGJ). Nur bei Hochwassersituationen übertreffen die Abflüsse von Alme und Lippe zeitweilig den Abfluss der Pader, weil erstere über wesentlich größere oberirdische Einzugsgebiete verfügen. Die angegebenen Mittelwerte (MQ) erfordern jedoch eine kritische Bewertung. Denn sie bringen die Abfluss-Schwankungen nicht hinreichend zum Ausdruck. Während Alme und Lippe große Schwankungen aufweisen, zeigt die Pader nur eine geringe Variabilität, so dass die Wasserführung in der oberen Lippe, nach Zusammenfluss der drei Flüsse über lange Perioden im Jahr hauptsächlich von der Pader bestimmt wird (Abb.14).

Mittlerer Abfluss Pader Lippe Alme in Schloss Neuhaus
Mittlerer Abfluss Pader Lippe Alme in Schloss Neuhaus (Abb. 14); Quelle: Deutsches Gewässerkundliches Jahrbuch, Rheingebiet, Teil III, Düsseldorf: LAWA NRW, 2009

In früheren Jahrhunderten war die Wassermenge, die über die Pader der oberen Lippe zuströmte, noch größer. Leider lässt sich diese Aussage nur durch Indizien belegen, weil entsprechende Messungen fehlen. Aber die Befunde sind eindeutig: Es floss ehemals ein Teil des Lippewassers über die Abflussrinne östlich von Marienloh in Richtung Paderborn und damit zur Pader. Diese Abflussbahn nahm auch die Abflüsse aus dem Beke-Schwemmfächer auf, solange der Durchstich durch den Sandrücken zwischen Lütke- und Klusheide in Marienloh noch nicht existierte. Ebenso fehlte die Wasserableitung aus dem Dubelohgraben zum westlich Lippearm (Teil I). Die über den östlichen Lippearm abfließenden Wassermengen fehlten früher dem westlichen Arm, und sie erhöhten den Abfluss der Pader. Darüber hinaus waren die Abflüsse von Rothe- und Springbach wesentlich größer und konstanter, weil die Abfluss mindernden Maßnahmen der modernen Zeit noch nicht wirksam waren. Zudem wurden die Niederschläge sowie die häuslichen und gewerblichen Abwässer aus dem Bereich der städtischen Siedlung über die Pader abgeleitet und nicht, wie es heute zum großen Teil geschieht, über Kanalisationsstränge direkt der Kläranlage bei Sande zugeführt. Diese Ableitungen über die Kanalisation umgehen den natürlichen Abfluss über die Pader und werden von den Messungen an den genannten Pegeln nicht erfasst. Auch die Paderquellen selbst förderten in früherer Zeit größere Wassermengen, da die Abdichtung der Bachschwinden in ihrem Einzugsbereich, der Paderborner Hochfläche, weniger fortgeschritten war und die umfangreichen Trink- und Brauchwasserentnahmen aus den tieferen Schichten des Karstgesteins, die nach LÖHNERT (1990) ebenfalls beachtlich zur Verringerung der Quellschüttungen beitragen, noch nicht vorgenommen wurden.

Das meiste des über die Pader abfließenden Wassers stammt aus den zahlreichen Quellen, die im Zentrum von Paderborn zu Tage treten. Sie werden zusammenfassend als Paderquellen bezeichnet. Neben der Wassermenge sorgen diese Quellen, da sie aus einem unterirdischen Reservoir gespeist werden, das Abfluss-Spitzen zeitlich verzögert und volumenmäßig dämpft, für eine auffallend ausgeglichene Wasserführung der Pader (Abb.14) und der gesamten oberen Lippe: Unterschiede in der Abflusshöhe zwischen dem Sommer- und Winterhalbjahr oder den einzelnen Monaten im Jahreslauf sind relativ gering. Zusätzlich zur Verstetigung der Wasserführung gewinnen die Paderborner Quellen auch hinsichtlich der Wassertemperatur an Bedeutung. Da das nach der Bodenpassage in den Quellen hervortretende Wasser ganzjährig Temperaturen über 8 °C aufweist [5] und die Anpassung an die Umgebungstemperatur sich aufgrund der physikalisch bedingten hohen Wärmekapazität des Wassers und der großen Wassermenge nur langsam vollzieht, sorgen die Quellschüttungen dafür, dass die von ihnen beeinflussten Gewässerabschnitte ganzjährig einen ausgeglichenen Wärmehaushalt aufweisen, mit kühlen Temperaturen und geringen Schwankungen: Im Sommer verhindert das Quellwasser eine rasche Erwärmung der fließenden Welle, und es wirkt kühlend auf das flussnahe Umfeld. Im Winter verhindert die im Wasser gespeicherte Wärme anderseits ein schnelles Absinken der Wassertemperatur. Das Quellwasser sorgt dafür, dass die von ihm beeinflusste Strecke auch in strengen Wintern nicht zufriert [6], eine Beobachtung, die für die einmündenden Nebenbäche und Gräben infolge ihres geringeren Wasservolumens und ihrer längeren oberirdischen Laufstrecke nicht zutrifft. Würde man in strengen Wintern von Westen kommend Lippe aufwärts der fließenden Welle folgen, gelangte man nach Paderborn. Somit bestimmen die Quellen in Paderborn durch die Wassermenge, durch die Stetigkeit und den Jahresgang der Schüttung sowie durch die Wassertemperatur entscheidend den Charakter der oberen Lippe. Zusammen mit den in diesem Fließgewässer lebenden und daran angepassten Organismen lassen sie ein eigenständiges Ökosystem entstehen, das sich von den Ökosystemen der Nebengewässer und von jenen des Mittel- oder Unterlaufs der Lippe abhebt.

[3] Nach den Abb. 2 und 5 scheint es über die Einmündung von Mömmen- und Thunebach in den Lippe Fluss divergierende Auffassungen zu geben. Die abweichenden Angaben werden durch anthropogene Eingriffe bedingt: Um eine Wassermühle zu betreiben wurde der Abfluss des Thunebaches über einen neu geschaffenen Graben zur Thune-Mühle geführt und unterhalb der Mühle zum Mömmenbach abgeleitet, um eine bessere Energieausbeute zu erzielen (HOFMANN 2019). Die ursprüngliche Mündung des Thunebaches in die Lippe verkümmerte.

[4] Von der Schloss-Straße aus ist der Höhenunterschied zwischen dem Talboden mit dem Graben für die Ableitung des Unterwassers und dem um ca. 2 m ansteigenden Rücken deutlich zu erkennen. Die etwas höher liegende und damit trockenere Fläche wurde bereits vor Jahrzehnten als Standort für Gebäude genutzt. Am südöstlichen Rand dieses Rückens liegt die Rochus-Kapelle, nahe an der ehemaligen Grenze zwischen den Gemeinden Paderborn und Neuhaus, noch auf Neuhäuser Territorium und nahe an der Kleinen Pader, was für die Wasserversorgung wichtig war. Die Kapelle bot Kranken, die den städtischen Siedlungen fern bleiben sollten (Pestkranken, Aussätzigen etc.), einen Aufenthaltsort, und sie wurde anlässlich von Gedenk- und Bittprozessionen aufgesucht.

[5] Die Wassertemperatur der Quellen im Zentrum von Paderborn schwankt in Abhängigkeit von der Lufttemperatur im Versickerungsgebiet, der Aufenthaltsdauer des Wassers im Untergrund, der Tiefe, den das Wasser auf seinem Weg im Untergrund erreicht, und nicht zuletzt von der Durchmischung
der Wasserstränge zwischen Versickerungs- und Austrittsstelle. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Quellen und Quellbecken sind, wenn von der warmen Pader abgesehen wird, nicht sehr groß. Sie bewegen sich vorwiegend zwischen 8 und 12 °C. Allein die warme Pader übersteigt diesen Wert, da sie 15 – 16 °C erreicht. Allerdings ist ihre Schüttung im Vergleich zur Gesamtförderung aller Quellen gering, so dass sie auf die Durchschnittstemperatur der Pader wenig Einfluss hat. Auch innerhalb des Jahreslaufs sind die Veränderungen der Wassertemperaturen gering. Die Schwankungen bilden abgeschwächt und mit zeitlicher Verzögerung den Verlauf der mittleren Jahreslufttemperatur ab, und zwar so, dass zum Herbst und Winter hin die höheren, zum Frühjahr und Sommer hin die niedrigeren Temperaturen gemessen werden (DACHNER 1991; HOFMANN 1993; STILLE 1903). Infolge der Durchmischung der Wasseraustritte kann für die Pader im Jahreslauf eine nur schwach schwankende Wassertemperatur in der Höhe von 8 – 12 °C angenommen werden.

[6] Durch den Klimawandel bedingt, haben zugefrorene Wasserläufe gegenwärtig Seltenheitswert. Das war in früheren Jahrhunderten anders. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts lassen sich längere Frostperioden mit Eisgängen auf den Flüssen häufiger beobachten (BUND 2009; RENTEL 2019). Für die Wassermühlen an den von den Karstquellen beeinflussten Gewässern in Paderborn, Neuhaus oder Lippspringe war die Eisfreiheit ein großer Vorteil. Sie konnten auch bei strengem Frost arbeiten.

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BZRG DT 2018: An der Lippe geht es weiter … Fortführung der Maßnahmen ober- und unterhalb des Sander Lippesees. Informationsveranstaltung „10 Jahre Lippeumflut“ am 1. Okt. 2015 im Gut Lippesee. Detmold: Bezirksregierung Detmold, 2018, 28 S., zahlr. Abb.

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NZO 2018: Umgestaltung des Rothebaches im Seskerbruch. Antrag auf Genehmigung nach § 68 WHG. Erläuterungsbericht. Im Auftrag des Stadtentwässerungsbetriebs Paderborn (STEB). Bielefeld: Naturschutzzentrum Ostwestfalen (NZO), 2018, 38 S., zahlr. Abb.

Stille, Hans 1903: Geologisch-hydrologische Verhältnisse im Ursprungsgebiet der Paderquellen zu Paderborn. Berlin: Königlich Preußische Geologische Landesanstalt u. Bergakademie, 1903, V, 129 S., 3 Abb., 6 Taf.; (= Abhandlungen der Königlich-Preußischen Geologischen Landesanstalt und Bergakademie. N.F.; H.38)

Ströhmer, Michael 2019: Wirtschaftsregion Pader 1950 – 1300. Neue historische Erkenntnisse und Perspektiven. Manuskript eines Vortrag vor Verein „Freunde der Pader“, (Text + Folien); Paderborn: Verein, 2019, 18 S., 1 Beil. mit Abb. (www.freunde-der-pader>die-pader>wirtschaft-energie); eingesehen am 16.07.2020

Struckmeier, Wilhelm 1990: Wasserhaushalt und hydrologische Systemanalyse des Münsterschen Beckens. Düsseldorf: Landesamt für Wasser und Abfall Nordrhein-Westfalen (LAWA), 1990, 71 S., 21 Abb., 13 Tab. im Text; 5 Ktn. in Beil.; (= Wasser und Abfall: LWA Schriftenreihe; H.45)

STUA 2005: Die Lippe bei Paderborn-Sande – jetzt wieder im Fluss. Broschüre: Hrsg.v. Staatliches Umweltamt Lippstadt. Gestaltet v. Naturschutzzentrum Ostwestfalen (NZO). Lippstadt: Staatliches Umweltamt Lippstadt (StUA), 2005, 21 S., zahlr. Abb.

Völkel, Jana; Fäßler, Peter E. 2014: Die Ottilienquelle, das Inselbad und die Curanstalt Inselbad bei Paderborn. Eine Dokumentation. Paderborn: Universität Paderborn, Historisches Institut, 2014, 34 S., 11 Abb., Tab.

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Dies ist ein Auszug aus einem Aufsatz des Geographen Prof. Dr. Manfred Hofmann. Der Originaltitel des Aufsatzes lautet: "Beobachtungen im Gebiet Bad Lippspringe - Paderborn - Schloss Neuhaus: Eingriffe in die Fließgewässer - landschaftliche Veränderungen - Beziehungsgefüge Lippe und Pader" und ist in den "Mitteilungen" des Naturwissenschaftlichen Vereins Paderborn e.V. (2020) erschienen. Sollten Sie weiteres Interesse an der Landschaftsgeschichte der Pader haben, empfehlen wir Ihnen den vollständigen Aufsatz (PDF-Datei) herunterzuladen.

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