Aufstieg Neuhaus als Textilproduktionsstandort

Gewerbe & Handwerk

Weben im Europa des 15. Jahrhunderts, "De mulieribus claris" (Wikipedia CC)

Die Pader war seit dem Spätmittelalter auch ein wichtiges Glied in der Wertschöpfungskette des regionalen Textilgewerbes. Jene aus der Schafzucht gewonnene Rohwolle,[1] deren Produzenten an den Flussufern weideten, wurde zunächst vor allem in Paderborn selbst von „Spinnern“ und „Wandmachern“ zu Tuchen verwebt. Erste schriftliche Erwähnungen von Wollwebern finden sich im 14. Jahrhundert über deren Verkaufsstände, die von der Zunft im Untergeschoß des gotischen Rathauses eingerichtet worden sind.[2] Eine „walkemole“, die wohl innerhalb der Stadt lag, wurde erstmals 1376 erwähnt.[3] Die Wollweber selbst pachteten gut hundert Jahre später gleich zwei Walkmühlen (1480), die im Immunitätsbezirk des Paderborner Domkapitels gestanden haben. Ihr Betrieb lässt sich bis in die 1570er Jahre nachweisen.[4] „Tuchscherer“, die sich als Spezialisten für die Veredelung roher Wolltuche (Laken) im mittleren Quellgebiet der Pader ansiedelten, werden urkundlich am Ausgang des 15. Jahrhunderts (1491) erwähnt.[5] Paderborn dürfte somit als Gewerbezentrum des Hochstifts bereits im 16. Jahrhundert über ein recht ausdifferenziertes Textilgewerbe verfügt haben. So gehörten neben den angesehenen Textilkaufleuten („Wandschneider“) auch die „Wüllner“ oder „Wollweber“ zu den elf privilegierten Handwerkerzünften der Stadt.[6] Mit dem Aufschwung der Leinenweberei in der zweiten Jahrhunderthälfte siedelten sich zudem  Leinenfärber in der Stadt an.

Neben der Belieferung des heimischen Textilhandwerks wurde Rohwolle von der Pader weiträumig verhandelt. Bis in die frühen 1620er Jahre hinein gingen größere Chargen aus dem Hochstift über die Rheinlande nach Flandern und in den Hennegau.[7] Im 17. und 18. Jahrhundert dürften über den kaufmännischen Verlag von Paderborner Wandschneidern auch bäuerliche Webstühle, deren Besitzer nebenerwerblich arbeiteten, in die städtische Textilproduktion eingebunden worden sein. Womöglich fungierte die Pader hierbei als Wasserstraße für den Lastentransport zwischen Paderborn und Neuhaus. Ihre Wasserkraft bot zudem die notwendige Antriebsenergie für die drei Walkmühlen, die am Flusslauf errichtet worden waren. Auch diente Paderwasser als Löse- und Bindemittel für das sich in Neuhaus etablierende Textilgewerbe.

Weben im Europa des 15. Jahrhunderts
Weben im Europa des 15. Jahrhunderts, "De mulieribus claris" (Wikipedia CC)

[1] Vgl. für das 16.-18. Jahrhundert Ehrenpreis/ Horstkemper, Paderborn, S. 70f. Im 16. Jahrhundert wurden Schafe „in so großer Zahl in der Feldmark der Stadt gehalten, daß die Paderborner Polizeiordnung von 1579 eine Beschränkung der Höchstzahl pro Schafhalter vorsah“.

[2] Vgl. Schoppmeyer, Spätmittelalterliche Bürgerstadt, S. 340. Eine korporierte „Weber“-Zunft, noch ohne Unterscheidung zwischen Woll- oder Leinenwebern, wird erstmals 1329 erwähnt. Ebd., S. 287.

[3] Vgl. Balzer, Untersuchungen, S. 91, Anm. 192.

[4] Vgl. Schoppmeyer, Spätmittelalterliche Bürgerstadt, S. 360, Anm. 444. Nach dem „Catalogus episcoporum Paderbornensium“ des Gymnasialrektors Hermann Kerssenbrock (amt. 1575-79) zählen zu den 16 innerstädtischen Mühlrädern nach wie vor zwei Walkmühlen; Schäfers, Heinrich: Die Standorte der Mühlen im südlichen und östlichen Teil des Altkreises Paderborn, Staatsexamensarbeit im Fach Geographie/ Gesamthochschule Paderborn, Manuskript masch. Paderborn 1980, S. 72. StadtA Pb, S 2, Nr. 1130.

[5] Vgl. Schoppmeyer, Spätmittelalterliche Bürgerstadt, S. 287.

[6] Vgl. Ehrenpreis/ Horstkämper, Paderborn, S. 81f.

[7] Vgl. Schoppmeyer, Spätmittelalterliche Bürgerstadt, S. 356. Als weitere Absatzmärkte nennt Schoppmeyer Köln, Aachen, Lüttich und Maastricht.

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Dies ist ein Auszug aus einem Aufsatz des Historikers Prof. Dr. Michael Ströhmer. Der Originaltitel des Aufsatzes lautet: "Wirtschaftsregion Pader - Eine geschichtswissenschaftliche Skizze (1350-1950)". Sollten Sie weiteres Interesse an der Wirtschaftsgeschichte der Pader haben, empfehlen wir Ihnen den vollständigen Aufsatz (PDF-Datei) herunterzuladen.

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